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Dinge – Nutzer – Netze - Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
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58 | Dinge – Nutzer – Netze Bemerkenswert ist hier zweierlei: Erstens stellten diese Ausführungen die gängigen Museumskonzepte des frühen 20. Jahrhunderts buchstäblich vom Kopf auf die Füße. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Boas᾿ Text waren gerade amerikanische Museen noch in hohem Maße als Forschungsinstitutionen angelegt, an denen vor al- lem in Disziplinen wie der Archäologie und Ethnologie mehr wissenschaftliche Ar- beit geleistet wurde als an vielen Universitäten. Entsprechend wurden Ausstellungen im Allgemeinen von den Objekten her gedacht und das Museum selbst konstituierte sich fast ausschließlich über seine Sammlung – Besucher und der Umgang mit ihnen waren eher eine Randerscheinung (vgl. Redman 2010: 2). Zweitens erkannte Boas das Problem der Besucherperspektive im Museum als ein räumliches: Exponate und Besucher sind für ihn Angelpunkte von Strategien se- mantischer Raumbewältigung. Dabei hat in seiner Konzeption des Museums aber ge- rade das Scheitern solcher kuratorischer Strategien didaktisch produktive Auswir- kungen: Was das Museum als Vermittlungsinstitution auszeichnet ist eben gerade, dass seine Macher nur vage vorausahnen können, welche konkreten Inhalte die Be- sucher den Exponaten entnehmen werden (vgl. Boas 1907: 922). Die Konsequenz, die Boas daraus zieht, ähnelt der Absage, die Stefan Paul fast einhundert Jahre später dem »schmalen Gang« erteilt: Es sei ein zum Scheitern verurteiltes und der Beschaf- fenheit der Institution völlig widerläufiges Unterfangen, Ausstellungen um lineare Erzählungen herum zu konzipieren. Stattdessen gelte es, den goldenen Schnitt zu fin- den zwischen dem didaktischen ›roten Faden‹, der einer Ausstellung nachvollzieh- bare Zusammengehörigkeit verleiht, und den potenziell unzähligen ›points of view‹ der Objektdeutung, die zwischen Exponaten und Besuchern entstehen. Je mehr un- terschiedliche Blickwinkel ein museales Konzept bedienen kann, desto mehr schöpft es die medialen Möglichkeiten der Institution aus. Zugleich jedoch kann eine zu weit- reichende epistemische Offenheit die Objekte unscharf und beliebig werden lassen. Die Herausforderung für den Ausstellungsmacher ist daher nach Boas die einer kon- zeptuellen Eingrenzung der Ausstellung auf eine Anzahl von Zugängen, welche die Vieldeutigkeit der Exponate zwar als Stärke ausspielt, dabei aber vermeidet, dass die Vielfalt möglicher Bedeutungen allen pädagogischen Anspruch unter sich begräbt (vgl. ebd.: 926). Richard Saul Wurman behandelt in Information Anxiety ein ganz ähnliches Prob- lem: Jede Form von Informationsverarbeitung hänge ganz entscheidend vom »van- tage point« des Rezipienten ab – welcher wie Boas᾿ »point of view« sowohl Kennt- nisse und Vorannahmen beinhaltet, die von Rezipient zu Rezipient variieren, als aber auch die technische Beschaffenheit des Mediums, über welches die Informationen vermittelt werden. Die Art und Weise, wie Information situiert ist, entscheidet mit darüber, was ein Rezipient mit ihr tun kann: ob sie aus unterschiedlichen Perspekti- ven erfasst werden kann, ob man sich ihr nähern und von ihr entfernen, sie heranzoo- men kann, ob Detailansichten möglich sind und ob sie für sich allein oder im Kontext weiterer Information präsentiert wird (vgl. Wurman 1989: 65). Als ein einfaches und
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Dinge – Nutzer – Netze Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Title
Dinge – Nutzer – Netze
Subtitle
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
Author
Dennis Niewerth
Publisher
transcript Verlag
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-4232-6
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
428
Keywords
Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
Category
Medien
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