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alphabetisch sortiert, der Zugriff läuft aber quer zu dieser Sequenzierung, die ledig-
lich der Auffindbarkeit einzelner Wissensinhalte dient. In jedem Falle jedoch bleiben,
so Krameritsch, die individuellen Textbausteine beim bloßen Querverweis diskret
und souverän: Dieser nämlich hält lediglich dazu an, mehrere in sich geschlossene
Einzeltexte nacheinander zu lesen. In den Hyperlinks des World Wide Web prallen
dagegen einzelne Textpartikel aufeinander und verbinden sich zu neuen Texten, die
keinem derer gleichen, aus denen sie hervorgegangen sind. Links etablieren nicht nur
die Zusammengehörigkeit von Texten, sie schaffen zugleich ein virtuelles ›Mehr‹.
Dieses resultiert daraus, dass sie sich notwendigerweise immer an zwei Orten zu-
gleich befinden: namentlich im Text, von dem sie ausgehen, und in jenem, auf den
sie verweisen. Dabei heben Hyperlinks jede eventuelle räumliche Distanz zwischen
diesen separaten Texten auf. Will man dem Querverweis einer Enzyklopädie folgen,
so muss mindestens geblättert, eventuell sogar ein anderer Band aus dem Regal ge-
holt werden. Auch jener des Zettelkastens kann nur dazu auffordern, eine andere Kar-
teikarte physisch ausfindig zu machen. Der Hyperlink hingegen veranlasst einen
nahtlosen Wechsel zwischen Texten. Er ist kein bloßer Verweis, sondern eine virtu-
elle Kopplung, die jederzeit aktualisiert werden kann und in dieser Eigenschaft eine
eigene Poetik besitzt (vgl. Krameritsch 2007: 139).
Simanowski geht noch einen Schritt weiter und betrachtet Links nicht etwa nur
als einen Modus der Textorganisation im Repräsentationssystem digitaler Medien-
technologien, sondern als Bestandteile einer eigenen Grammatik digitalisierter Texte.
Seiner Ansicht nach ziehen Links nicht nur einzelne Textelemente zu neuen Texten
zusammen. Vielmehr seien sie »die Fortführung der Geschichte mit anderen Mitteln,
sie verbinden nicht nur Text, sie sind Text« (Simanowski 2002: 64). Links sind dem-
nach keine passiven Mechanismen zwischen den Texten, sie geben selbst Richtung
und Grenze der Bedeutungsstrukturen vor. Sie vermitteln nicht zwischen aus sich
heraus sinnvollen Inhalten, sondern verleihen diesen erst Sinn, indem sie sie mit den
im Anklicken zum Ausdruck gekommenen Interessen des Rezipienten koppeln. Ent-
sprechend haben sie selbst Inhaltscharakter ‒ und die Möglichkeit zur sinnigen Er-
schließung eines Hypertextkörpers endet in jener medialen Sackgasse, in der es keine
Links mehr gibt, denen man folgen könnte (vgl. ebd.).
2.4 ZURECHTFINDUNG UND NAVIGATION IN
VERNETZTEN TEXTEN
Der Informatiker, Hypertexttheoretiker und Game Studies-Pionier Espen Aarseth be-
findet aufgrund ähnlicher Beobachtungen die klassischen grammatischen Struktur-
einheiten von Textkörpern wie Sätze, Worte und Buchstaben für unzureichend, um
mit ihnen dem funktionalen Aufbau von Hypertexten gerecht zu werden. Anhand
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien