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Sammlungen und Ausstellungen online abrufbar zu machen, die Exponate katego-
risch zu unterscheiden − z.B. in Skulpturen, Gemälde, ethnografische Objekte, usw.
− und dann über entsprechende subject headers zum Abruf bereitzustellen, die letzt-
lich dem Inhaltsverzeichnis eines Buches gleichen (vgl. ebd.: 142). Hier wird natür-
lich im Grunde, ohne dass es dezidiert ausgewiesen würde, jener Gedankengang
nachvollzogen, der Bush überhaupt erst zum Nachdenken über assoziative Vernet-
zung von Informationseinheiten veranlasste: Auch Hoptman beruft sich auf neuro-
wissenschaftliche Modelle, welche den Umgang des menschlichen Gehirns mit Wis-
sensinhalten als einen assoziativen und relationalen beschreiben (vgl. ebd.: 144).
Seine Vision für das virtuelle Museum entspricht wiederum dem, was Franz Boas
zum didaktischen Ziel des physischen erklärt: Nämlich Wissen multiperspektivisch
zugänglich zu machen und Vieldeutigkeiten bewusst als Stärke auszuspielen. Wäh-
rend Boas allerdings noch die Notwendigkeit eines Kompromisses zwischen assozi-
ativer Offenheit und kuratorischer Vermittlungsabsicht betonte, um die Ausstellung
nicht beliebig werden zu lassen, sieht Hoptman hierzu im Kontext der Digitalisierung
keine Veranlassung mehr: Im virtuellen Museum soll es seiner Ansicht nach poten-
ziell möglich sein, jeden nur möglichen Blickwinkel auf die Objekte zuzulassen, ohne
dass der Besucher jemals die Orientierung verliert (vgl. ebd.: 146f.).
Dass die hypertextuelle und intermediale Funktionalität, in der Hoptman die
große epistemische Chance des virtuellen Museums erkennt, auch im physischen
Museum schon vorhanden ist, erwähnt Hoptman nicht. Ob es ihm entgangen ist oder
ob er diese Beobachtung im Rahmen seiner Ausführungen schlicht nicht für relevant
befunden hat, können wir nicht wissen. Auch Hoptman diskutiert damit den digitalen
Medienwandel im Museum in erster Linie als einen Bruch mit der Materialität des
physischen Museums, nicht als eine kontinuierliche Fortsetzung seiner Kommunika-
tionsstrukturen auf einer veränderten medialen Grundlage.
Nichtsdestoweniger brachte es Hoptmans Terminologie als erste Bezeichnung für
das Phänomen von Internetangeboten, die als ›Museen‹ und nicht als bloße Muse-
umshomepages auftreten, zu einem gewissen Maß an Allgemeingültigkeit. Dies
dürfte eher an einer generellen Inflation im Gebrauch des Virtualitätsbegriffes gele-
gen haben denn an Hoptmans theoretischer Unterbauung seines Konzeptes, welche
im breiteren Diskurs über das virtuelle Museum kaum mitrezipiert wurde. So nahm
1996 die Online-Ausgabe der Encyclopaedia Britannica einen von Joffrey Lewis ver-
fassten Artikel über das virtual museum auf, in welchem dieses lediglich definiert
wurde als
[...] a collection of digitally recorded images, sound files, text documents, and other data of
historical, scientific, or cultural interest that are accessed through electronic media. A virtual
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien