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Raster eines Computerbildschirmes. Auf der Oberfläche eines Gemäldes aber lassen
sich grundsätzlich unendlich viele einzelne Punkte bestimmen − und unendlich viele
Farbwerte unendlich vielen Pixeln zuzuweisen würde logischerweise auch eine un-
endliche Anzahl von Bits und damit eine unendlich große Datei erfordern. Ein ana-
loges Objekt zu digitalisieren heißt also, zunächst eine sehr offensichtliche Kopie
entstehen zu lassen, die von ihrer Vorlage nicht nur verschieden ist, sondern eine
klare Reduktion derselben darstellt. Beim oben gewählten Beispiel der Digitalisie-
rung eines analogen Bildes wird das Objekt auf eine endliche Anzahl von diskreten
Werten reduziert, deren genaue Höhe wiederum abhängig ist vom Auflösungsvermö-
gen der Apparatur (also des Scanners oder der Digitalkamera) und der angestrebten
Dateigröße. Während der Informationsgehalt eines analogen Objektes also prinzipiell
unbegrenzt ist, ist jener einer digitalen Reproduktion auf eine genau benennbare An-
zahl von Bits beschränkt (vgl. ebd.).
Dies bedeutet aber zugleich auch, dass digitale Information im Gegensatz zu ana-
loger prinzipiell perfekt reproduzierbar ist. Kein Fälscher der Welt, sei er auch noch
so kunstfertig, kann eine im mathematisch-informationstheoretischen Sinne perfekte
Kopie eines Gemäldes anfertigen, weil dies erfordern würde, jede der unendlich vie-
len Positionen, die auf einer Leinwand bestimmbar sind, mit einem genau identischen
Farbwert auf eine andere zu übertragen. Auch die mechanisch-fotografischen Repro-
duktionsverfahren, die für Walter Benjamin noch im Mittelpunkt der Betrachtung
standen, waren hierzu nicht imstande. Analoge Kopierverfahren weisen notwendi-
gerweise immer kleine Abweichungen vom Original auf. Und diese wiederum begin-
nen sich zu summieren, sobald Kopien nicht mehr vom Original, sondern von frühe-
ren Kopien erstellt werden. Im Qualitätsverfall der Abbildung äußern sich die Grade
oder Generationen der Reproduktion, welche die Kopie vom Original trennen. Wohl-
gemerkt enthält die analoge Reproduktion dabei nicht weniger Information als das
Original, das ihr vorausging. Auf dem Foto lassen sich ebenso wie auf der bemalten
Leinwand beliebig viele Punkte benennen. Aber sie sind informationell nicht länger
identisch, die Abweichungen vom Original sind Artefakte des Reproduktionsappara-
tes (vgl. ebd.).
Ein digitales Bild hingegen besteht aus einer endlichen Zahl von Werten, die be-
reits in diskreten Ziffern vorliegen. Entsprechend können diese auch unverändert ko-
piert bzw. beim Kopiervorgang laufend mit dem relativen ›Original‹ abgeglichen
werden, sodass sich eventuell auftretende Abweichungen sofort berichtigen lassen.
Im Ergebnis sind die bitperfekten Kopien dann (außer über Metadaten) weder vonei-
nander, noch vom ihnen zugrundliegenden Ursprungs-Datensatz zu unterscheiden
(vgl. ebd.). Die Kategorie des Originals ist digitalen Mediensystemen also völlig
fremd. Die ›Authentizität‹ digitaler Daten kann nur auf zweierlei Arten etabliert wer-
den: Entweder über den Abgleich mit einer als solchen ausgewiesenen ›Mastercopy‹
(die, wie der Name schon sagt, kein Original, sondern lediglich eine Referenz- oder
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien