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›Virtuelle Museen‹: Medienwechsel und Kontinuität | 135
simulativen Aktualisierungsprozesse des Computers im Gegensatz zur materialen
Herstellungstätigkeit des Menschen keinen klaren Endpunkt: Der Computer, der Pro-
grammvorgaben ausführt, interessiert sich nicht für das, was wir kulturell und lebens-
weltlich mit den Objekten anstellen, die in seinem Interface erscheinen, ja die ganze
menschliche Vorstellung eines ›Zwecks‹ dieser Objekte ist ihm schlechthin fremd.
Am Ende der Herstellung eines Tisches steht das Abstellen anderer Dinge auf seiner
Oberfläche, am Ende jener eines Brotes sein Verzehr, am Ende jener eines Gemäldes
seine Zurschaustellung in einem kulturellen Raum. Am Ende der Anzeige einer Bild-
datei auf einem Monitor mag für den Nutzer die Befriedigung eines bestimmten
Schaubedürfnisses stehen, für den Computer aber geht das Rechnen weiter: Weil das
Bild für ihn eben Code ist, unterscheidet es sich erstens qualitativ nicht fundamental
von den zigtausenden anderen digitalen Entitäten, mit denen ein gewöhnlicher PC in
jedem Augenblick seines Betriebes umzugehen hat, und weil reine Zahlen keine sin-
guläre, raumzeitlich gebundene Existenz aufweisen, ist zweitens jeder zukünftige
Aufruf des digitalen Bildes für ihn nicht verschieden vom gegenwärtigen. Das mate-
rielle Objekt macht sich mit Abschluss seines Herstellungsprozesses von seinem Her-
steller unabhängig und verfügt über ein von ihm losgelöstes Dasein, das sich auch
dann noch behauptet, wenn nach ihm noch zahlreiche ihm gleichende Dinge herge-
stellt werden. Das simulierte Objekt hingegen existiert erstens immer nur im Zustand
seiner gerade jetzt stattfindenden Herstellung (die, weil sie keine stetige Veränderung
in der Welt hervorbringt, nach Arendt ja eigentlich keine ist) und verfügt dabei zwei-
tens über keinerlei Autonomie − weder vom technischen Apparat, der es erzeugt,
noch von seinen zahlreichen Kopien, von denen es ontisch nicht verschieden ist.
3.2.3 ›Digitale Objekte‹ als semantische Konstrukte
Yuk Hui setzt sich in einem jüngeren Paper genauer mit der Frage auseinander, was
ein »digitales Objekt« (vgl. Hui 2013) überhaupt sein könnte, bzw. wie wir aus der
Kontinuierlichkeit und Nichtabschließbarkeit des digitalen Codes und seiner Verar-
beitung durch eine CPU zu einer Vorstellung von diskreten und begrenzten ›Objek-
ten‹ gelangen. Hui stellt dabei den ›Daten‹-Begriff besonders heraus, und zwar so-
wohl in seiner in den 1940er Jahren entstandenen Bedeutung als Bezeichnung für
Information, die von Computern verarbeitet werden kann (bzw. für die Verarbeitung
durch Computer formatiert ist) als auch im Sinne seines lateinischen Wortursprungs
‒ das datum ist ja zunächst einmal nur ein ›Gegebenes‹, ohne dass ein bestimmter
Gebender angezeigt wäre (vgl. ebd.: 103).
Dieses generische Gegebensein digitaler Daten ist für Hui eines, das wir immer
nur mittelbar wahrnehmen können. Als rein formale Abfolgen von binären Zuständen
weisen sie für uns keine erkennbare Dingqualität auf. Entsprechend sieht auch Hui
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien