Page - 5 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
Image of the Page - 5 -
Text of the Page - 5 -
— Was die Aufmerksamkeit und Gunst oder Ungunst der Regierung
auf mich lenkte, waren weder ausschliesslich noch in erster Reihe
9 •
meine böhmisch-literarischen Ansichten und Bestrebungen: es war
diess mein pol i t isches Glaubensjbekenntniss, meine politischen
Ideen, welche ich nun endlich auch besprechen muss. Wie so konnte
es geschehen, dass das Wiener Ministerium, welches im J. 1848
zweimal (am 8. Mai und 2. September) mich in seinen Schoss
berief, als könnte es ohne mich kaum bestehen, bereits vor dem
Ende des J. 1849 einen solchen Hass auf mich warf, dass man mich
mehr als irgend Jemanden zu beseitigen und unschädlich zu machen
bestrebt war? Wer war an einer solchen Wendung schuld, ich
oder die Regierung selbst? Um diess klar zu machen, muss ich
mich in eine weitläufigere Darstellung meines Verhaltens in dem
bezeichneten Zeiträume einlassen.
Unter der Regierung Kaiser Franz I. pflegte schon die blosse
Beschäftigung mit politischen Studien in den Verdacht illoyaler Gesin-
nung, der Unzufriedenheit und mehr oder weniger hochverräte-
rischer Absichten zu bringen. Darum richtete ich und meine Freunde
mit mir unsere Sorge gleich von Anbeginn dahin, dass sich unser
Volk nur im nationalen Geiste überhaupt und namentlich in den
Realkenntnisseri ausbilde, und hüteten uns sorgfältig vor dem leisesten
Anstrich eines revolutionären oder konspirativen Beginnens. Wir
kannten sowohl unsere schwache Stellung, als auch die Macht
unserer Gegner und waren uns dessen wohl bewusst, dass unser
Volk, sobald ein günstigerer Zeitpunkt einträte, wenn es zuvor
geistig herangebildet sein wird, am besten selbst die richtigen
Wege zu weiteren Erfolgen zu finden und einzuschlagen wissen
wird. Mit solchen Erwägungen trachteten wir auch die Ungeduld
einiger ungestümen jüngeren Patrioten zu zügeln.
An der ersten Bewegung der Märzrevolution, d. i. an der Ver-
sammlung im St. Wenzelsbade am 11. März 1848 nahm ich haupt-
sächlich deshalb keinen Antheil, weil Graf J. M. Thun, der
damalige Präsident des böhmischen Museums (dessen Geschäftsleiter
ich war) mich ermahnt und gebeten hatte, dieses unserer Sorge
anvertraute Institut nicht durch irgend eine Uebereilung zu
kompromittiren; auch hatte ich frühzeitig dieUeberzeugung gewonnen,
back to the
book Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte