Page - 6 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
Image of the Page - 6 -
Text of the Page - 6 -
dass man meiner Mitwirkung an jenem Tage nicht bedurfte. In
die Aktion trat ich erst, als mich Graf Adalbert Deym zu den
Berathungen des St. Wenzelskomit6s, welche bei St. Gallus abge-
halten wurden, berief, woselbst ich trotz dem Widerspruche einiger
hervorragenden Wortführer dem Principe Geltung verschaffte, dass
die Freiheit, deren wir uns zu erfreuen begannen, nicht ein Pri-
vilegium einiger Stände, Konfessionen oder Parteien, sondern ein
Gemeingut des gesammten Volkes werden sollte, und darum sollten
auch Juden in die Prager Gemeindevertretung gewählt werden.
Desgleichen verfasste ich über den Wunsch einiger Herren bereits
am 17. März, zwei Tage nach der Proklamirung der Konstitution,
eine kurze Erläuterung dieser unserem Volke bis dahin unbe-
kannten Sache, zumeist damit es von dieser Aenderung nicht gleich
für sich masslose materielle Vortheile erwarte.
In der liberalen Märzbewegung des J. 1848 gewannen die
Prager Böhmen, welche sich in Allem der Initiative, und zwar im
Sinne der Gerechtigkeit und Mässigung, bemächtigt hatten, gleich
von Anbeginn ein offenbares Uebergewicht über die deutschen
Prager, welche durch die unerhörten Ereignisse wie betäubt lange
sich nicht zu besinnen wussten, bis sie endlich von Aussen, am
meisten von Wien aus, geweckt und aufgereizt wurden. Darum
näherte sich auch K. E. Ebert, (ehemals mein langjähriger Freund,
aber seitdem er sich vor dem böhmischen nationalen Geiste zu
fürchten begonnen, mir entfremdet,) nach langer Zurückhaltung mir
wieder, stellte sich vor der Hand mit dem Grundsatze der
nationalen Gleichberechtigung zufrieden und traf mit mir die
Verabredung, die Schriftsteller beider Nationalitäten auf den 18. März
zu einer Versammlung einzuladen. Als an diesem Tage unter dem
Vorsitze Safafik's wegen zahlreicher und disparater Anträge kein
Beschluss zu Stande kam, beriefen wir auf den 20. März eine Ver-
sammlung der böhmischen Schriftsteller allein, und ich trug ihnen
einen Beschlussantrag vor, welcher nach langer und lebhafter Debatte
endlich einstimmig angenommen und genehmigt wurde. Am darauf-
folgenden Tage, am 21. März, kamen wir wieder, sowohl böhmische
als deutsche Schriftsteller (im Gasthause beim Erzherzog Stefan)
in ziemlich grosser Anzahl zusammen und stellten nach langer,
aber immerfort freundschaftlicher Debatte an die deutschen Schrift-
steller das Ansuchen, dasKesultat unserer Berathungen mit wenigen
kurzen Worten für die Oeffentlichkeit zu formuliren. Nachdem
aber Hr. Kuranda, welcher zuerst ersucht worden war, erklärt
hatte, er sei, angeblich wegen allzugrosser Aufregung, hiezu mo-
mentan nicht fähig, wurde ich darum ersucht; ich schrieb daher
die wichtigsten zwei Absätze des am vorhergehenden Tage ge-
fassten Beschlusses in deutscher Sprache auf ein zufällig vorhan-
denes Stückchen Papier, und als ich meinKoncept der Versammlung
mittheilte, damit diese Erklärung, nachdem sie verbessert worden,
ins Keine überschrieben und mit den Unterschriften aller Anwe-
senden bestätigt werden könne, liessen sich von vielen Seiten her
billigende Rufe vernehmen und das Blatt wurde sogleich von einem
nach dem andern unterfertigt, da es angeblich gar nicht nöthig war,
back to the
book Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte