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meinen Ansichten über die zu jener Zeit diskutirten politischen Ver-
hältnisse und Grundsätze durch die im 3. Theile des „Radhost"
enthaltenen Aufsätze Ausdruck zu geben.
Behufs Erledigung dringender Zeitfragen, Vorbereitung der
notwendigen Anträge betreffs der Errichtung einer Landesregierung
nach konstitutionellen Grundsätzen und anderweitigen Vorlagen
für den Landtag hatte der Landespräsident Graf Rudolf Stadion
bereits am 1. April aus allen Ständen eine ausserordentliche, aus
30 Mitgliedern bestehende Kommission zusammengestellt, welche
später, als sich am 10. April das St. Wenzelskomitß mit ihr ver-
einigt hatte, den Kollektivnamen „Nationalausschuss" erhielt und in
12 Sektionen getheilt war. Mir war insbesondere in der 9. Sektion
„für die Verhältnisse Böhmens zu den Ländern der böhmischen
Krone, zu Oesterreich und zum Deutschen Bunde" ein gewichtiges
Wirken zugewiesen; namentlich war die Proklamation an die
Mährer vom 6. Mai zur Gänze von mir verfasst. Es versteht sich,
dass in den Debatten dieser Sektionen die Grundsätze und Wahr-
heiten des föderalistischen Programms bereits vielseitig erwogen
wurden.
Ueber meine Berufung ins Ministerium vom 8. Mai erstattete
ich dem Nationalausschusse am 12. Mai einen Bericht,. welchem
ich auch im „Radhost" Raum gönnte. Ich will nur hier ergänzen,
was dort nicht vollständig mitgetheilt wurde, weil ich von Manchem,
was sich zugetragen, erst später Kenntniss erhielt. Bei meiner
Konferenz mit Pillersdorf gingen unsere Ansichten lediglich hin-
sichtlich Eines Punktes auseinander, nämlich bezüglich der Frank-
furter Frage, hinsichtlich derer er (vielleicht mit Rücksicht auf
seine Proklamation vom 21. April) der Meinung war, dass auch
uns Böhmen Nachgiebigkeit nicht schaden würde, während ich
meine entgegengesetzte Ueberzeugung nicht verhehlen konnte.
Desshalb hatte ich mich in der darauffolgenden Nacht, wo
ich mein „Promemoria" abgefasst, fest entschlossen, den ange-
botenen Posten nicht anzunehmen. Als ich es hierauf am folgenden
Tage, den 10. Mai, Pillersdorf einhändigte, bemerkte ich zu meiner
Verwunderung, dass er über meine Weigerung beinahe offen seine
Freude bezeugte. Ich wusste, ja ich ahnte allerdings nicht, was
sich inzwischen zugetragen hatte. Als meine Berufung ins Mini-
sterium in die Oeffentlichkeit gelangte, verursachte sie in Wien
bei allen unsern Feinden nahezu eine Empörung. Nicht nur von
Seiten der grimmigen Deutschen, insbesondere derer aus Böhmen,
nicht bloss von der Universitätsaula, welche damals in Verbindung
mit der Nationalgarde allmächtig war, sondern auch von Seiten
des ungarischen Ministeriums regnete es Proteste und leidenschaft-
liche Drohungen auf den armen Pillersdorf, weil er sich auch
gegen die Slaven einigermaßen gerecht erweisen wollte. Für die
Wiener Demagogen war diess eine überaus willkommene Gelegen-
heit, in den Massen des Volkes einen Aufstand gegen die Regierung
zu organisiren, weil sie noch nicht genug nachgiebig war und an-
geblich Oesterreich sogar zu slavisiren beabsichtigte; das sich schnell
verbreitende Gerücht, dass ich das Ministerium nicht angenommen
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Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte