Page - 12 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
Image of the Page - 12 -
Text of the Page - 12 -
12
mancher unschuldige Prager falschen Verdacht im Gefängnisse ab-
sitzen musste — während der wahre Schuldige, ein Emissär der
ungarischen Regierung, sich im Stillen über den erzielten, kaum
in solchem Masse angehofften Erfolg freute.
Bekannt ist die ehemals landläufige Sage von „der weit und
breit verzweigten slavischen Verschwörung" des J. 1848. Im Na-
men des auf dem Hradschin vom Fürsten Windischgrätz nieder-
gesetzten k. k. Kriegsgerichtes gab ein Hauptmann-Auditor Ernst
eine besondere, angeblich unparteiisch geschriebene und nur die
Wahrheit und faktische Vorfälle enthaltende Brochure*) heraus.
Dort wird (S. 45 und folg.) in detaillirter und korrekter Weise,
zwar nicht Name und Abkunft, sondern als ein „Geständniss von
hohem Interesse" nur die Aussage eines „Inquisiten" M(arcell)
T(uränsky), auch eines Mitgliedes des slavischen Kongresses,angeführt,
welcher angeblich vor den Ostern des J. 1847 sich in Eperies in
Ungarn mit einigen Slovaken und Polen so intim befreundet hatte,
•dass sie ihn sogar in ihr grosses Geheimniss einweihten, welches in
der von ihnen und einigen hervorragenden Slaven gehegten Ab-
sicht bestanden haben soll, aus den Ländern der ungarischen und
böhmischen Krone ein grosses slavisches Reich — ob Königreich
oder Republik, das wussten sie angeblich selbst noch nicht — zu
bilden; zu diesem Ende habe gleichzeitig an vier Orten, in Agram,
Prag, Krakau und in der Umgebung von Pressburg, jedoch erst
im J. 1850 ein Aufstand ausbrechen sollen, allein die Pariser
Februarrevolution des J. 1848 habe den Ausbruch beschleunigt.
Als er befragt wurde, wer denn in Böhmen sich an dieser Ver-
schwörung betheiligt habe, wusste er Niemand andern als nur einzig
und allein — mich Palacky zu nennen, weil er angeblich meine
geheimen Briefe, welche ich nach Eperies sandte, nicht nur in den
Händen zu haben pflegte, sondern auch deren bedeutungsvolles
Siegel erkannte und beschrieb.**) Ausführlicher diess zu besprechen,
widert mich an; wen es interessirt, mag am angegebenen Orte
nachlesen.
Mit diesem „hochinteressanten" Bekenntnisse einer hässlichen
Seele wollen wir das Zeugniss einer andern Quelle und insbesondere
ihre beiderseitigen Daten vergleichen. Ein ungarischer Korrespon-
dent der Augsburger Allgemeinen Zeitung (vom 29. Juni, Nro. 181)
sandte aus Wien unterm 25. Juni einen so „hochinteressanten"
Bericht über den Prager Aufstand, dass ich ihm unmöglich hier
einen Platz verweigern kann. Er lautet wortwörtlich also: „Immer
deutlicher stellt es sich heraus, dass der Aufstand in Prag die
Folge einer, wenn auch zu früh ausgebrochenen, panslavistischen Ver-
schwörung war, deren Fäden sich weithin in alle slavischen Länder
erstreckten. Palazky, Liebelt und Bakunin waren im Voraus zu
Mitgliedern eines Direktoriums bestimmt, welches die Revolution in
*) Unter der Ueberschrift: Die Prager Juni-Ereignisse in der Pfingstwoche
des J. 1848, nach den Ereignissen der hierüber gepflogenen Untersuchung (zweite
Auflage, Wien 1849). '
•*) Da ich Niemanden persönlich in Eperies kannte, habe ich auch, so
viel ich mich erinnere, mein Lebelang keinen einzigen Brief dahin abgeschickt.
back to the
book Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte