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sich zumeist nur durch liberalistisches Eifern für die sogenannten
Grundrechte aus, welche vordem in auswärtigen Parlamenten, na-
mentlich in Frankreich und Belgien berathen worden waren und
im Staatslexikon von Rottek und Welker erklärt wurden; die
Schablone der centralistischen Verfassung von Frankreich und Bel-
gien wurde für ein Muster, für den Gipfel politischer Weisheit
angesehen; ob sie auch für die Verhältnisse eines aus verschie-
denen Nationen bestehenden Staates, wie Oesterreich, Eignung
besitze, daran dachte meines Erachtens Niemand. Während somit
unsere Subkommission für die Grundrechte ziemlich rasch und
erfolgreich arbeitete, hatte ich Niemanden, mit dem ich mich über
meine Aufgabe hätte berathen können.
Gleich von Uranbeginn konnte ich meine Aufgabe nicht anders,
denn im föderalistischen Sinne, auffassen. Bereits bei der Prokla-
mirung der Konstitution im März 1848 fühlte und sah ich voraus,
dass'in der begonnenen grossen geistigen Bewegung, wie ander-
wärts, so auch insbesondere in Oesterreich das Moment der Na-
tionalität nicht bloss einen wichtigen, sondern vielmehr den ersten
Platz einnehmen werde — wie uns auch seit jener Zeit die Erfahrung
beinahe eines Vierteljahrhunderts thatsächlich lehrt; der aufmerk-
same Leser des Radhost wird diess aus allen den ersten Aufsätzen
des dritten Theiles ersehen. Meine erste Sorge war auf die Aner-
kennung und Sicherung des Grundsatzes der nationalen Gleichbe-
rechtigung (18—21. März) gerichtet. In meinem Schreiben vom
11. April 1848 fasste ich bereits alle einzelnen Völker, in der
genetischen Bedeutung des Wortes, als besondere Persönlichkeiten
auf, und wies auf das Associationsrecht als ihr hauptsächliches
Schutzmittel hin. Dahin zielten auch die Aufsätze vom 6. und 10. Mai,
vom 2. und 10. Juni. Die Ideen waren ziemlich früh vorhanden; alle
Schwierigkeiten drehten sich nur um die Verkörperung und Grup-
pirung derselben zu einem konkreten und organischen Ganzen. Nichts
destoweniger war mein erster Entwurf früher fertig, bevor in Wien die
Revolution vom 6. Oktober ausbrach; eine Abschrift desselben erbat
sich und erhielt unter andern auch der Minister Bach, als er in
den Oktobertagen in Prag gleichsam im Exile weilte. Erst nach
der Eröffnung des Kremsierer Reichstages nahm insbesondere auch
Dr. Kajetan Mayer an der schliesslichen Redaktion des Entwurfs
unserer ganzen Subkommission thätigen Antheil. Nachdem er meine
Haupt-Unterschiede und — Sätze angenommen, vermehrte er die-
selben durch allerlei Bestimmungen der belgischen Konstitution
und durch den vom Grafen Albert Nostitz ausgearbeiteten Antrag,
und modificirte einige Artikel im centralistischen Sinne. Der auf
solche Weise „vereinbarte Entwurf" wurde hierauf das Substrat der
Berathungen des ganzen 30gliedrigen Konstitutionsausschusses. Hier
aber zeigte sich in Folge der fehlerhaften Zusammensetzung dieses
Ausschusses bald das Uebergewicht des centralistischen Geistes und
der centralistischen Richtung. Der Konstitutionsausschuss war nicht
das getreue Abbild oder der Extrakt des ganzen Reichstags seinen
inneren Dimensionen nach; er repräsentirte lediglich lOgrosse u. kleine
Kronländer mit gleicher Stimmenanzahl ohne Unterschied; während
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Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte