Page - 32 - in Palacký's Politisches Vermächtniss
Image of the Page - 32 -
Text of the Page - 32 -
32
Man muss somit den Modus irgend einer näheren Verbindung
unter den Slaven billiger Weise in Erwägung ziehen: es ist diess
eine nicht nur nicht leichte, sondern auch gewissermassen heik-
liche Aufgabe, weil die positiven Verbände, in welche alle Nationen
der Welt hineingestellt wurden, ihnen nicht gestatten, sich nach
Belieben zu liiren. Es haben auch bisher die Slaven selbst eine
derartige Eventualität weniger ins Auge gefasst, als ihre Nachbarn
und Feinde.
Die Idee eines föderativen Oesterreichs hat allezeit
ein friedliches Freundschaftsverhältniss desselben zu Russland,
sowie auch zu andern Mächten zur Voraussetzung. Die Geschichte
der Jahre 1848 bis 1866 hat mit Evidenz konstatirt, dass die
Idee einer föderativen Verbindung unter der ererbten Regierung
bei den österreichischen Slaven überhaupt, insbesondere jedoch bei
den Böhmen in der Gesinnung des gesammten Volkes so tiefe
Wurzeln gefasst hat, dass sie behufs der Realisirung und Er-
haltung derselben bereitwilligst jedes noch so schwere Opfer brachten.
Ob sie nach den Widerwärtigkeiten, welche sie insbesondere nach dem
Falle Hohenwarts, auf ein aus der Fremde stammendes Anstiften
hin, zu ertragen hatten, noch immer die gleiche Bereitwilligkeit
besitzen werden, weiss ich nicht und zweifle auch beinahe daran;
wenigstens wäre es nach so vielen getäuschten Hoffnungen, ange-
sichts der von Tag zu Tag zunehmenden Persekution, widerna-
türlich, wenn sie ihren alten Unterdrückern selbst immer wieder aus
der Klemme helfen wollten, in welche dieselben, wie ich fest überzeugt
bin, bald hineingerathen werden. Ich habe gesagt, dass ich betreffs
der Zukunft Oesterreichs keine sonderliche Hoffnung mehr hege,
namentlich von der Zeit an, da die Deutschen und Magyaren daraus
eine rohe Racendespotie machten: es ist somit die Frage, was mit
den bisherigen österreichischen Slaven überhaupt und mit den
Böhmen insbesondere geschehen wird, unter dieser Rücksicht nicht
ohne Wichtigkeit. Ohne mich auf allerlei Möglichkeiten einzulassen,
welche kein Sterblicher voraussehen kann, sage ich aus voller
Ueberzeugung nur so viel, dass die Böhmen als Nation, wenn sie
dem russischen oder preussischen Reiche unterthan würden, sich
niemals mit ihrem Schicksal zufrieden stellen würden; sie würden
niemals vergessen, dass sie von Rechtswegen von Uranbeginn an
nur sich selbst unterthan sein sollen, d. i. ihrer eigenen Regierung,
ihrem eigenen Herrscher. DiePreussen würden wegen ihres germa-
nisatorischen Furors von den Böhmen lediglich als geschworne
Feinde und Mörder ihrer Nationalität angesehen werden. Was
jedoch die Russen betrifft, so würde allerdings das gerade Gegen-
theil hievon stattfinden; diese würden als unsere natürlichen Bluts-
verwandten, Freunde und Helfer in uns die treuesten — nicht Un-
terthanen, sondern — Verbündeten und nach Bedarf auch eine
Avantgarde in Europa finden.
Sollte jedoch wider jegliches Vermuthen der faule Friede oder
status quo im Oriente, wie angeblich alle Staatsmänner hiefür Sorge
back to the
book Palacký's Politisches Vermächtniss"
Palacký's Politisches Vermächtniss
- Title
- Palacký's Politisches Vermächtniss
- Author
- František Palacký
- Location
- Prag
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.0 x 23.6 cm
- Pages
- 42
- Categories
- Dokumente Geschichte