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Die Bedeutung von Inklusion als gegenwärtige Erfahrung in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen
ElFo – Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2021), 3 (1), S. 77-84
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zum anderen den mit bestimmten Zugehörigkeitskategorien verbundenen sozialen Ungleich-
heit entgegenwirken will (z. B. Kreuzer & Ytterhus, 2008; König & Heimlich, 2020a). Diese The-
matisierungen gehen einher mit Forderungen nach Inklusion und Bildungsteilhabe und bezie-
hen sich damit grundsätzlich auf alle Kinder, wie auch Franz und Wulfekühler (2018) formulie-
ren:
„Die Achtung von Identitäten und Vielfalt als Leitbild im Sinne von Inklusion zu
setzen (UN-BRK), meint somit nicht allein eine wertschätzende Haltung gegen-
über jedem Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Eigenschaften und Be-
dürfnissen, sondern auch eine kritische Perspektive auf ausgrenzende, behin-
dernde und stigmatisierende Praktiken und Strukturen. Alle Kinder und Jugend-
liche haben das uneingeschränkte Recht auf Bildung, unabhängig von physi-
schen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen und anderen Fähig-
keiten.“ (Franz & Wulfekühler, 2018, S. 101)
Diversität anzuerkennen und gleichzeitig Ungleichheit zu problematisieren, macht also den
besonderen Anspruch von Inklusion aus. Denn weder würde eine bloße Anerkennung von Viel-
falt, noch würden Versuche, diese aufzuheben, dem Inklusionsanspruch gerecht; erst in der
Verbindung von Anerkennung der Vielfalt bei gleichzeitiger Zurückweisung von Ungleichheit
ist der Inklusionsgedanke vollständig. Diese Konstruktion stellt zumindest auf ethischer Ebene
eine Lösung für den Umgang mit Differenz dar: Jedes Kind hat auf Basis der allgemeinen Men-
schenrechte von Freiheit, Gleichheit und Solidarität das Recht auf Anerkennung seiner Indivi-
dualität und gleichzeitig das Recht auf soziale Teilhabe, wie Prengel (2020) im Detail ausführt.
Diese beiden Aspekte des Inklusionsauftrages werden von Thon und Mai (2017) als „Teilhabe
an Bildung“ und „Teilhabe durch Bildung“ beschrieben. Der vor allem bildungspolitisch stark
vertretene Glaube an die Wirkmächtigkeit von Inklusion und Bildung kann aber auch als Päda-
gogisierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe von gleichberechtigter Teilhabe gesehen
werden. Auch der Elementarbereich rückt hier in den letzten Jahren wieder zunehmend in den
Fokus bildungspolitischer Bemühungen, indem soziale Gerechtigkeit in Form einer „Verbesse-
rung gesellschaftlicher Teilhabechancen für von Benachteiligung bedrohte oder betroffene
Kinder“ (Thon & Mai, 2017, S. 259) als Auftrag an elementare Bildungseinrichtungen gerichtet
wird.
Frühe Bildung soll zur sozialen Teilhabe beitragen und tritt damit als pädagogische Lösung des
sozialen Ungleichheitsproblems auf. Hierin liegt aber genau die große Unbekannte, wenn ge-
fragt werden muss, ob Inklusion ihrem Auftrag gerecht wird bzw. überhaupt gerecht werden
kann. Was nämlich auf einer allgemeinen Ebene ethischer Normen als gelöst erscheint (die
Verbindung der Anerkennung von Individualität mit sozialer Teilhabe), erweist sich bei genau-
erer Betrachtung als spannungsreich und schwierig umzusetzen. Diese Spannungen im Inklu-
sionsanspruch möchte ich nun kurz darstellen und dann einen Zugang zu Inklusion umreißen,
der als Grundlage für die Beforschung von Teilhabe im Kontext elementarer Bildungseinrich-
tungen dienen kann.
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ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Volume Jahrgang 3 / Heft 1 / 2021
- Title
- ElFo
- Subtitle
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Volume
- Jahrgang 3 / Heft 1 / 2021
- Editor
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 109
- Categories
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge