Page - 44 - in ElFo - Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Volume Jahrgang 1 / Heft 2 / 2019
Image of the Page - 44 -
Text of the Page - 44 -
Armut als zentrales Problem für frühpädagogische Organisationen?
ElFo—Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2019), 1 (2) S. 42-52
44
Aushandlungsprozessen zu strukturieren und diskursiv hervorzubringen. Die Auswertung folgte der
konstruktivistischen Grounded Theory Methode (GTM) (Charmaz, 2013). Die GTM als
Auswertungsmethode verfolgt das Ziel, ein feldspezifisches Phänomen in seinen Facetten und
Relationen zu beschreiben (ebd.). Im ersten offenen Codierprozess wurde der Code des
„Kompensierens“ herausgearbeitet. Entlang dieses Codes wurde das Material selektiert und
feinanalytisch in Sequenzen interpretiert und Bedeutungszusammenhänge zu anderen Codes
herausgearbeitet. Die daran anknüpfenden Theoretisierungen dienten dabei als sensibilisierende
Konzepte. Die Generierung weiteren Materials steht noch aus, wodurch der Sampling-Prozess noch
nicht als abgeschlossen angesehen werden kann und eine theoretische Sättigung bislang noch nicht
erreicht ist (Charmaz, 2013).
Ausgewählte empirische Ergebnisse
In der Diskussion berichten Teilnehmerinnen und Teilnehmer von ihren Erfahrungen mit dem
Phänomen der (Kinder-)Armut in ihrem Berufsalltag, den Auswirkungen bzw. der Sichtbarkeit von
Armut bei Familien sowie den Strategien hinsichtlich des Umgangs damit.
Konstruktionen und Problemdiagnosen von Armut und „den Armen“
Die Fachkräfte entwerfen im Gespräch Armut als finanziellen Ressourcenmangel, hinzu konstruieren
sie jedoch zwei Gruppen armer Eltern, die sich hinsichtlich der Qualität des individuellen (Miss-
)Verhaltens und der individuellen Dispositionen weitreichend unterscheiden: Die
„Kompensationsfähigen“ und „Nichtkompensationsfähigen“.
„Genau wenn es eine unverschuldete Armut ist oder nur eine kurzfristige, dann sind oft die Eltern
intellektuell, finde ich, so auf der Höhe, dass sie sich informieren und kompensieren und - oder
alleinerziehende Mütter, die einfach nur wenig Geld haben, die finde ich sind auch meistens gut vernetzt
und recherchieren alles genau. Aber wenn das so eine weitergetragene Armut ist, dann ist es oft so eine
Passivität, finde ich, in den Familien und so haben es halt hingenommen ‚ist halt so‘. Und die Kinder
sagen dann auch schon: ‚Ja ich werde auch Hartzer ist halt so.‘“ (Z. 95 – 101) 3
Gegenüber eines finanziellen „Engpasses“, der teilweise „kurzfristig“ auftritt, wird ein
„selbstverschuldet“ herbeigeführter und teilweise transgenerational fortgeführter
Sozialleistungsbezug4 gesetzt. Der ersten Gruppe gelingt es den Fachkräften zufolge eher, ihre
3 Die Zitate sind Originalzitate aus der Gruppendiskussion, die sprachlich für diese Publikation leicht geglättet
wurden (z. B. wurden „Ähms“ und Pausen gestrichen sowie Zeichensetzung und Groß- und Kleinschreibung
ergänzt).
4 Der umgangssprachliche Ausdruck „Hartzer“ verweist auf die sogenannte Hartz-IV-Reform des Gesetzespakets
der Bundesrepublik Deutschland, welches u. a. die Grundsicherungsleistung für Erwerbsfähige regelt (benannt
nach dem Leiter der beschließenden Kommission, Peter Hartz).
back to the
book ElFo - Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Volume Jahrgang 1 / Heft 2 / 2019"
ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Volume Jahrgang 1 / Heft 2 / 2019
- Title
- ElFo
- Subtitle
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Volume
- Jahrgang 1 / Heft 2 / 2019
- Editor
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 77
- Categories
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge