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Kategorisierung der Dinge des pädagogischen Alltags. Interaktionsorientierte Benennung unbelebter Akteure
ElFo – Elementarpädagogische Forschungsbeiträge (2021), 3 (2), S. 7-17
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Theoretischer Hintergrund
Menschen leben in engen Vernetzungen mit den Dingen ihrer Umwelt (u. a. Elschenbroich,
2012; Gertenbach & Laux, 2019; Nohl, 2011; Schatzki, 2016; Stieve, 2008). Die Dinge sind dabei
wesentlich für die kulturspezifische Sozialisation. Wie Dinge in dem jeweiligen Umfeld des
Aufwachsens zu nutzen sind, wie sie Situationen und Handlungen rahmen, sind Faktoren, die
Kinder erst durch das Hineinwachsen in die Ding-Umwelt und die Interaktion mit in ihr bereits
sozialisierten Personen erlernen. „Weder ist das Hineinwachsen in Dingwelten ein völlig
eigenständiger, von der menschlichen Interaktion zu trennender Prozess, noch darf das
Sozialisationsgeschehen von dem Umgang mit Dingen, in den man von klein auf hineinwächst,
abstrahiert werden“ (Nohl, 2011, S. 167). So ist beispielsweise der Esstisch in
westeuropäischen Gesellschaften von Stühlen umringt, auf die man sich zum Essen setzt. Er
besteht aus einer eckigen oder runden Platte mit Standfüßen darunter und erfordert, wenn
man daran Platz nehmen will, bestimmte Abstimmungsprozesse und körperlich-räumliche
Handlungen. In einem Umfeld mit niedrigen Esstischen, an denen man kniend Platz nimmt,
ergeben sich völlig andere Handlungsoptionen und entsprechend abweichende
gesellschaftliche Konventionen. Nach Stieve (2008, S. 84) appellieren die Dinge durch ihre
spezifische Materialität an die "Sinnlichkeit" (ebd.) des Menschen, der sich in direktem
Kontakt mit ihnen gleichzeitig mit sich und der Welt auseinandersetzt. Es sind dem Ding aber
auch Handlungsnormen eingeschrieben, denen man folgen oder sich widersetzen kann. „Ein
Ding schafft [also] eine eigene Realität" (ebd.).
Gleichzeitig ist das Ding eingebettet in Interaktionen lebendiger Akteur:innen, mit denen sie
lokale und globale Netzwerke bilden. „Jeder Zustand der Welt, an dem Menschen beteiligt
sind […], besteht in einem solchen Netzwerk und damit in einer Konfiguration aus miteinander
verbundenen und wechselseitig voneinander abhängigen menschlichen und
nichtmenschlichen Akteur[:inn]en" (Schatzki, 2016, S. 74).
Die Dinge sind dabei in ihrer Bedeutung nicht feststehend (u. a. Nohl, 2013, S. 193). Was ein
Ding in der beobachtbaren Situation bedeutet beziehungsweise wie es vom Aktant zum Akteur
wird (Dimai, 2012, S. 52), hängt in hohem Maße von den Vorerfahrungen der menschlichen
Akteur:innen, aber auch vom Verlauf der Interaktion und der konkreten Beschaffenheit des
Dings mit seinem spezifischen „Aufforderungscharakter“ (Lewin zitiert nach Bogner, 2017, S.
282) ab. Kinder, die zu unterschiedlichem Maß in die Ding-Umwelt sozialisiert sind, lassen sich
in der Interaktion vom Aufforderungscharakter leiten und folgen den Irritationen, denen
Kinder im Kontakt mit den Dingen ausgesetzt sind; dies bietet Chancen für eine kindzentrierte
Ausrichtung pädagogischer Arbeit (Stieve, 2008, S. 309). Die Art des Handelns von Kindern mit
Dingen zeigt dabei zum einen, wie stark eingegrenzt unsere eigenen Handlungen durch
kulturelle Prägungen sind, gleichzeitig aber auch, inwieweit das Kind an die Normen des
Umfelds, in dem es heranwächst, gewöhnt ist (Nohl, 2013, S. 195). Die Interaktion gibt so den
Erziehenden die Chance, die Welt anders, nämlich aus kindlicher Perspektive, zu begreifen
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ElFo
Elementarpädagogische Forschungsbeiträge, Volume Jahrgang 3 / Heft 2 / 2021
- Title
- ElFo
- Subtitle
- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge
- Volume
- Jahrgang 3 / Heft 2 / 2021
- Editor
- Lars Eichen
- Eva Pölzl-Stefanec
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 33
- Categories
- Zeitschriften ElFo- Elementarpädagogische Forschungsbeiträge