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24 SchreibenzwischenAufbruchundUntergang
DieErscheinungkannnichtmehrĂŒbersehenwerden: dasmoderneMĂ€dchen schreibt,
undwasesschreibt, istFieberhitzeundSonnenglut, [âŠ]alles imfreiestenTondesrĂŒck-
sichtslosestenSelbstbekenntnissesniedergeschrieben.46
DieskonstatierteinFeuilletonistinderOsterbeilagederNeuenFreienPressevon
1902.ErgestehtdenâheutigenMĂ€dchenâzwarâetwasmehrEllbogenfreiheitâ
zu,befĂŒrwortetdieForderungnachBildungundAusbildung:âandenQuellen
desWissens,diebisherderMannalleinbesetzt, erhaltees seinenberechtigten
Platzâ, seinUrteil ĂŒber denweiblichenVorstoĂ in âdelikatereâ Bereiche der
Literaturproduktion fÀllt indemFeuilletonDerzerrisseneSchleierhingegen
restriktiveraus:
â[âŠ] inGottesNamenschreibeesauchBĂŒcher,wennesTintezuseinem
GlĂŒckbraucht.NureineswĂŒnschenwir, undes ist gewiĂweniggenug,die-
sesEinenur: daĂunsereTöchterBĂŒcher schreiben, dieunsere Söhne lesen
können.â47
AuchFeldmannthematisiert in ihremallerdingserst sehrviel spÀter (1934)
veröffentlichtenRomanMarthaundAntoniadasThemaderseitdemErsten
Weltkrieg stark ansteigendenProstitution.Aufgrund ihrer vornehmlich so-
zialkritischenAuseinandersetzung,dieplakativeSchilderungendesMetiers
ausklammert, sowieangesichtsdesspÀtenErscheinungsdatumsist ihrRoman
abernicht imUmfeldderobenangefĂŒhrten,ehemals skandaltrĂ€chtigenVeröf-
fentlichungenzusehen.
ImZugeder âUmwertungallerWerteâwĂ€hrendundnachdemErstenWelt-
kriegverĂ€ndert sichdiePositionderFrauinderĂffentlichkeit stark.Diedurch
dieFrauenbewegungunterminiertenpatriarchalenGrundstrukturenderGe-
sellschaft geraten insWanken,womit sich fĂŒr die FrauneueRĂ€ume inder
Ăffentlichkeit erschlieĂen.DasAufbrechender traditionellenRollenzuschrei-
bungwÀhrenddesKriegsgewÀhrt ihreineneueStellung impolitischsozialen
System:âDie âNeueFrauâwirdzumPrototypderModernisierung.â48
IhrwidmensichSchriftstellerinnen,diedenneuensozialenStatusderFrau,
die ihrneuzugewachsenenChancenundMöglichkeiten,aberauchdiedamit
verbundenenHindernisseundSchwierigkeiten thematisierenundreflektieren.
Das inMedienderZeit zumTeilplakativvermittelteBildderselbstbewussten,
unabhĂ€ngigenundgleichberechtigten âNeuenFrauâunddierealenGegeben-
heitenklaffenallerdingsstarkauseinander.DenndieArbeitsweltgestaltet sich
46 W.:DerzerrisseneSchleier. In:NFP30.03.1902.S. 1â3.
47 Ebd.:S. 1â3.
48 HilkeVeth: Literatur vonFrauen. In: BernhardWeyengraf (Hg.): Literatur derWeimarer
Republik1918â1933.S. 446â482.Hier:S. 460.
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0 | CC BY-NC-ND 4.0
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Else Feldmann: Schreiben vom Rand
Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Title
- Else Feldmann: Schreiben vom Rand
- Subtitle
- Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkriegszeit
- Author
- Elisabth H. Debazi
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21213-3
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 306
- Keywords
- L
- Category
- Biographien