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Eine weitere bestimmende Wende im Krieg war die für beide Seiten äußerst
blutige Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie. Wir alle sa-
ßen gespannt bei den Radioapparaten und lauschten den zuerst euphorischen
Meldungen über den harten Widerstand der deutschen Truppen. Doch mit je-
dem Tag wurden die Siegesmeldungen spärlicher und bald mussten selbst die
offiziellen Stellen von der erfolgreichen Bildung feindlicher Brückenköpfe im
Bereich der Normandie und einer beginnender Rückeroberung Frankreichs be-
richten.
Große Schlagzeilen und umfangreiche Berichterstattungen löste das miss-
glückte Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 aus. Wenige Stunden nach
Bekanntwerden der Ereignisse meldete sich der Führer im Radio mit einer kur-
zen Ansprache, in der er von der Vorsehung sprach, die ihn vor dem Tode oder
schweren Verletzungen bewahrt hatte. In Kommentaren wurde mehrmals von
einer kleinen, verbrecherischen Clique gesprochen, die an diesem Attentat be-
teiligt gewesen war und sofort ihre „gerechte“ Bestrafung erfahren hat – Tod
durch Erschießen. Erst lange nach Ende des Krieges erfuhr ich, dass nach dem
Hitlerattentat mehr Menschen ums Leben gekommen sind als in der Kriegszeit
vor dem Attentat.
Der Krieg und das Leben im Krieg prägten zunehmend das tägliche Leben in
Wien. Immer häufiger wurden auch die Transporte von verwundeten Soldaten
in die Heimat. Die Züge kamen meistens auf dem Aspangbahnhof an und die
Verwundeten wurden mit Rettungswägen in die bestehenden Krankenhäu-
ser sowie neu installierten Lazarette, wie z.B. in der Hofburg, transportiert.
Nach der Ankunft eines Lazarettzuges waren dann stundenlang die grünen
Rettungswägen auf den Straßen zu sehen. Auch sah man vermehrt genesene
Soldaten, denen ein Auge oder eine Gliedmaße fehlte, auf den Straßen, Es war
dies immer eine tiefgehende Mahnung, dass wir uns im Krieg befinden.
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Title
- Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
- Subtitle
- Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
- Author
- Othmar Nestroy
- Editor
- Technischen Universität Graz
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-741-0
- Size
- 20.0 x 25.0 cm
- Pages
- 120
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einstimmung 8
- Einleitung 11
- Politische Propaganda 13
- Spiel und Sport 19
- Der Krieg wird spürbar 23
- Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
- Privater und öffentlicher Verkehr 32
- Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
- Der totale Krieg beginnt 47
- Die Front rückt näher 57
- Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
- Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
- Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
- Nachklang 93
- Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
- Ausklang 115