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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten - Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
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53 Die Lebensmittelkarten wurden immer kleiner und weniger, die Marken signa- lisierten nicht mehr eine gewisse Menge eines bestimmten Artikels, sondern es standen nur mehr Nummern darauf, die aufgerufen wurden und für die man dann ein Lebensmittel kaufen konnte. Anstellen vor den Geschäften war die Regel, viele waren „bis Kriegsende geschlossen“, da die Besitzer an der Front waren oder einfach keine Ware mehr vorhanden war. Wir hatten das Glück, in der Nähe vom Naschmarkt zu wohnen, wo man noch lange nach Schlech- terwerden der allgemeinen Versorgungslage frisches Obst und Gemüse di- rekt von den meist kroatischen Bauern aus dem Burgenland mit „einer guten Waag“ kaufen konnte. Für Raucher begannen schlechte Zeiten, denn der Mangel an Tabak machte eine Zigarette zum Objekt der Begierde. Als Nichtraucher kann ich dies kaum nachfühlen, doch Beobachtungen daheim und auf den Straßen skizzieren die- se „Notsituation“. Mein Vater war eine mittelstarker Raucher und bevorzug- te selbst angefertigte Zigaretten, sogenannte „Selbstgewuzelte“, zu deren Anfertigung man Tabak in ein schmales und rechteckiges Spezialpapier (am Ende des Krieges und lange danach war dies oft nur Zeitungspapier) gab, das dann eingerollt und mit Klebstoff und Speichel fixiert wurde. Bei einer ande- ren Methode wurde eine ausgewogenen Menge Tabak in ein kleinlumiges und aufklappbares Metallröhrchen gebracht, vorverfestigt und mittels eines klei- nen Holzkolbens in eine Papierhülse mit Filter geschoben. Es war dies oft eine Zeremonie und nicht selten war der Besitzer auf seine gleichmäßige Produkti- onsserie etwas stolz. Der Mangel an Rauchwaren eröffnete noch eine andere Facette. In Wien gehör- te der „Tschickarretierer“, das war ein Mann, der mit der Spitze eines Stockes die Reste von Zigaretten, sogenannten Tschiks, auf dem Trottoir aufspieß- te, daheim sorgsam den Tabak herauslöste und sich daraus neue Zigaretten formte, als legendäre Person zum Stadtbild. Der Witz dazu konnte und durfte in Wien nicht fehlen: Bei einer Kasernenins- pektion durch den General erspäht dieser im Kasernenhof auf dem Boden ei- nen Tschick. „Wem gehört dieser Tschick?“, herrscht er den Unteroffizier vom Dienst an. Dieser erwidert spontan: „Ihnen, Herr General, denn sie haben ihn zuerst gesehen!“ Dieser Mangel an Zigaretten war während des Krieges an der Front, in der Kriegsgefangenschaft und lange nach Kriegsende ein für Raucher beherr- Einschub
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Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Title
Es rissen alle Stricke – doch wir überlebten
Subtitle
Episoden aus der Kriegs und Nachkriegszeit in Wien in einer nicht streng chronologischen Abfolge
Author
Othmar Nestroy
Editor
Technischen Universität Graz
Publisher
Verlag der Technischen Universität Graz
Location
Graz
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-741-0
Size
20.0 x 25.0 cm
Pages
120
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Einstimmung 8
  2. Einleitung 11
  3. Politische Propaganda 13
  4. Spiel und Sport 19
  5. Der Krieg wird spürbar 23
  6. Die großen Wendepunkte: Der Fall von Stalingrad und von Monte Cassino, die Landung in der Normandie und das Hitler-Attentat 29
  7. Privater und öffentlicher Verkehr 32
  8. Die ersten Bomben fallen auf die Innenstadt 41
  9. Der totale Krieg beginnt 47
  10. Die Front rückt näher 57
  11. Die Soldaten der Roten Armee erobern Wien 61
  12. Das Leben normalisiert sich und der Wiederaufbau beginnt 75
  13. Das lange Warten auf den Staatsvertrag 89
  14. Nachklang 93
  15. Persönliche Schicksale am Rande des Krieges 97
  16. Ausklang 115
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