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GEBOREN ZUM
PRESTIGEVERBRAUCH22 11 Vgl. Wehler 1990, S.
17f.
12 Joseph und Maria Theresia ließen ihren Adel
in diesem »Machtspiel« gewähren, sahen in der
Krönung jedoch in erster Linie die Erlangung
des Kaisertitels. Das Reich war nicht mehr Mit-
telpunkt der Politik und wurde nur noch bemüht,
um die dynastischen Absichten des Hauses
Habsburg zu befördern und zu sichern. Politisch
blieb die Krönung ohne Konsequenzen für das
Reich und die deutschen Staaten.
Frankfurter Paukenschlagereignis und die nachfolgenden titularischen Aufwertun-
gen Nikolaus’ I. steigerten von nun an den ständischen Marktwert der Familie und
eröffneten die Möglichkeit, in die bisher nicht zugänglichen Kreise des deutschen
Reichsadels einzuheiraten und damit die Esterházy zu einer der bedeutendsten Fa-
milien des Heiligen Römischen Reiches zu machen.
Aber auch der Wahrung der inneren Ordnung dieses Reiches schien Nikolaus
mit seiner Inszenierung zu dienen. Mit seinem Feiern des Kaisers und dem Ein-
fügen in das ständische System, der Prestigesucht und dem Zurschaustellen von
Luxus und Reichtum schien das adlige Kräftegefüge in den Erblanden manifestiert
und für die Nachfolgegenerationen konserviert. Doch dies war nur vordergründig,
denn Maria Theresia baute die Erblande konsequent zu einem zentralstaatlichen
System aus, beschränkte die Rechte und Privilegien des Hochadels deutlich und
entmachtete ihn damit politisch schrittweise. Ihr und ihrem aufgeklärt denkenden
späteren Mitregenten Joseph war das Leistungs- im Gegensatz zum Geburtsprin-
zip immer wichtiger, vor allem wenn es um die zeitgemäße Gestaltung des Staates
ging11. Deshalb verlegte der Geburtsadel seine Aktivitäten immer mehr auf den von
höfischen Vorbildern geprägten Statusverbrauchsethos, der die kaiserliche Wert-
schätzung weiterhin vorspiegeln und Kontinuität darstellen sollte. Hiermit wurde
ein hochadliges Selbstverständnis und Machtgehabe inszeniert und kreiert, wie im
Fall von Nikolaus I. während der Krönung, das jedoch tatsächlich politisch keinen
Einfluss auf die Reichspolitik hatte12.
Während sich also Fürst Nikolaus I. durch seine Prachtentfaltung in die ersten
Reihen des ständischen Systems katapultierte, war das Machtgefüge längst in Auf-
lösung begriffen. Denn der deutsche Reichsverbund war um seine effektive Orga-
nisation, seine politische Kraft und die Fähigkeit zur Innovation gebracht worden.
So vergrößerte Nikolaus I. 1764 zwar nicht seine politische Einflusskraft, sondern
schuf in der öffentlichen Wahrnehmung den Mythos überhöhten Glanzes seiner
Familie, der als »Esterházy’sches Feenreich« symbolhaft in die Geschichtsschrei- Kaiser Joseph II. und Kaiserin Maria Theresia,
Porträtmedaillons aus Gips von Anton Grassi (1755–
1807) in feuervergoldetem Bronzerahmen, um 1775.
Esterházy Privatstiftung, Schloss Eisenstadt, Tafel-
und Silberkammer.
Fürst Nikolaus I. Esterházy, vergoldetes Bronzerelief
von Philipp Jakob Prokop (1740–1814), um 1776.
Kunstgewerbemuseum, Budapest.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur