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GEBOREN ZUM
PRESTIGEVERBRAUCH38 71 Zinzendorf 1972, S. 84.
72 Auch Reisen nach Frankreich und England wer-
den in der Literatur (erstmals bei Regélö 1836,
Heft 4 [14. Januar 1836], S.
27) genannt, sind
jedoch nicht zu belegen.
73 »Can one (be) suprised at the misery which
results from such marriage ?« (Shelley 1912,
S. 290).
74 »Ein Portrait, die reg. Fürstin als Braut in Le-
bensgröße vorstellen …« (EPA, Inventarrech-
nung, Nr. 1, Majoratshaus, 1827, Nr.
1161/16).
Brustbild der Maria Hermenegilde in gleicher
Gewandung, Gemälde von Georg Weickert,
1786 : Sammlungen der Fürsten von und zu
Liechtenstein, Vaduz-Wien, GE1765 (E595).
75 Vgl. EPA, GC Handbuch 1783, fol. 101, Fasz.
13, Rub.
24, o. Nr., 12. September 1783.
76 Dattily war französischer Soldat in österrei-
chischen Diensten, ab ca. 1775 in Wien, wo er
Hauptmann des Infanterieregiments Viverais
war, später war er wohl in Görz stationiert und
pflegte Umgang mit dem Wiener Militäradel,
darunter auch Anton Esterházy (vgl. Klingen-
stein/Faber/Trampus 2009, Tagebucheintrag, 9.
November 1779, 3. Januar 1782). 1806 wurde er
Conseiller général des französischen Departe-
ments von Genua (vgl. Angaben in : Klingstein/
Faber/Trampos 2009, Bd. 4, Index). Dattily
bekam noch bis zum Tode von Nikolaus II.
im Jahr 1833 eine Pension von der fürstlichen
Zentralkassa überwiesen.
77 EPA, GC Handbuch 1785, fol. 73, Fasz. 9,
Rub. 7, Nr. 9, 2. Mai 1785.
die dynastische Verbindung der hochangesehenen Familie Liechtenstein mit den
gerade ständisch emporgestiegenen Esterházy geschah zu beiderseitigem Nutzen
und wurde ja auch durch eine Standeserhöhung vom Kaiserhaus protegiert. Die
Brautleute wurden – wie damals üblich – nicht um Zustimmung gefragt. Sie hatten
sich der Heiratspolitik ihrer Familien zu beugen. Liebe und Zuneigung spielten da-
bei keine Rolle. So war die Ehe denn auch von Anbeginn unglücklich, will man sie
mit den in dieser Zeit aufkommenden bürgerlichen Moral- und Ethikvorstellungen
messen. – Der junge Nikolaus hatte auf der Bühne in Eszterház Kabale und Liebe
oder Emilia Galotti sehen können, welche die adelige Erziehung zu unbedingter
Pflichterfüllung und die Standesunterschiede kritisierten, die freie Entscheidung
proklamierten und die Liebe in den Mittelpunkt der Mann-Frau-Beziehung stellten.
Für ihn und Maria Hermenegilde galten die aufgeklärten Ideen jedoch nicht. Graf
Karl Zinzendorf (1739–1813) beklagte dann auch den jungen Bräutigam, »dem man
seine Möglichkeit, sich zu bilden und ein nützlicher Bürger zu werden, indem man
ihn mit neunzehn (es muss lauten : achtzehn) verheiratet«71, genommen habe.
Konvenienzehen gehörten beim Hochadel zur Normalität, denn sie dienten der
Heiratspolitik. Die Ehepartner pflegten sich zu arrangieren und gingen sich aus
dem Weg, wenn sie nicht gemeinsam repräsentieren mussten und die Erbfolge ge-
regelt war. Im besten Falle stellten sich eheliche Harmonie und gute Kooperation
ein, nachdem die elterliche Strategie das Paar zusammengeführt hatte. Wie Maria
Hermenegilde später berichtete, hatte sie Nikolaus vor der Hochzeit nur einmal
kurz gesehen, und dieser sei einen Tag nach der Hochzeit mit seinem Erzieher auf
Reisen gegangen72, während sie unter der Aufsicht einer Gouvernante in Wien
blieb73. – Das Bildnis der Fürstin als Braut stellte demnach eine unsicher wirkende
nunmehrige Esterházy-Prinzessin in der Haltung der Venus Pudica, der Schamhaf-
ten, dar, die Amor am Altar ein Opfer bringt74. Ihr Bräutigam verfolgte stattdessen
seine Bildungslaufbahn und ging derweil auf Reisen nach Italien.
Schon drei Tage vor der Vermählung war für Prinz Nikolaus ein neuer Reise-
wagen angeschafft worden75. Am 14. September gab es eine großzügige Zahlung
des Großvaters für den »jungen Fürsten Nikola auf die Reis«, der kurz darauf mit
seinem aus Frankreich stammenden Adjutanten Leutnant Jean-Frederic-Antoine-
Charles Dattily (1742 bis nach 1833)76 »in die Länder geführt«77 wurde. Im Ok-
tober 1783 traf der junge Prinz in Neapel ein78, wo er bis März 178479 bei seinem
Vetter Graf Anton Lamberg-Sprinzenstein (1740–1822) unterkam, der zum Men-
tor der Kunstleidenschaft des Esterházy-Fürsten werden sollte.
Graf Anton Lamberg war nicht nur seit 1778 diplomatischer Nachfolger von
Prinz Nikolaus’ Großonkel, Fürst Paul II. Anton, der recht erfolglos Botschafter in
Neapel gewesen war80, sondern auch eng mit der Familie verbunden. So versorgte
Fürst Nikolaus I. alle Lamberg-Geschwister mit jährlichen Pensionen, da deren
früh verstorbene Mutter seine Schwester gewesen war81. Als Sammler Alter Meis-
ter und etruskischer Vasen förderte Lamberg in seiner Botschafterzeit in Neapel –
also mit Esterházy-Geld – Künstler seiner Heimat, an die er Stipendien und Auf-
träge vergab. Seine Kunstkennerschaft war allgemein hoch angesehen : »Mit tieffer
Sachkentniß entwickelte er die Natur und Originalität seiner Gemälde ; sein Ora-
kelspruch über Gegenstände der Art wird allgemein vereehrt.«82 So war es Lamberg,
der Prinz Nikolaus in die Welt der Kunst einführte. Er vermittelte ihm womöglich
die Grundbegriffe systematischen Sammelns und löste wahrscheinlich auch dessen
spätere »Sammelwut« aus. Graf Anton von Lamberg-Sprinzenstein (1740–1822),
Gemälde von Martin Ferdinand Quadal (1736–1808),
1784. Das Bild entstand während des Aufenthaltes
von Prinz Nikolaus beim Grafen Lamberg in
Neapel. Akademie der Bildenden Künste, Wien,
Gemäldegalerie.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur