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GEBOREN ZUM
PRESTIGEVERBRAUCH56 157 Vgl. Elias 2002, S. 115ff.
158 Einen frühen Hinweis auf den Statuskonsum-
druck nennt Ferdinand Strobl von Ravelsburg :
Mit dem Erlöschen des Vorrechtes, als einziger
Magnat Ungarns den Fürstentitel zu tragen,
durch die Erhebung der Batthyány-Strattmann
im Januar 1764 wurde für Fürst Nikolaus I. eine
größere Hofhaltung unumgänglich, um weiter
auf dem ersten Platz der Magnaten zu bleiben
(vgl. Strobl von Ravelsburg 1907, S. 181).
159 Herzog Richelieu soll bei der Lektion über das
richtige Geldausgeben seinem Sohn zunächst
den prall gefüllten Geldbeutel vor Augen ge-
halten haben, um ihn dann aus dem Fenster zu
werfen (vgl. Taine 1876, Bd. 1, Kap. 2,2). Evans
verglich die ungarische Aristokratie sogar mit
den zählebigen englischen Peers und sah die
politische Schlagkraft des Adels bis 1945 stabil
und unangetastet (vgl. Evans 2001, S. 362).
oberste Maß aller Dinge. Er verpflichtete die Nachkommen, es ihren Vorgängern
gleichzutun157. Je länger die Kette der Vorfahren, je glanzvoller die Taten der Ahnen,
desto legitimer war auch der eigene Anspruch auf Herrschaft, desto teurer der Sta-
tusverbrauch. Damit ging der Majoratsherr jedoch die Gefahr ein, ruiniert aus der
Standesgruppe ausscheiden zu müssen. Besonders der junge Erbprinz Nikolaus ig-
norierte in seinem Lebensstil die gesellschaftliche Wahrnehmung und Kritik an der
aristokratischen Verschwendung und Sittenlosigkeit im Zeitalter der Aufklärung,
die in der barocken Repräsentations- und Festkultur eine für das Staatswesen un-
produktive Dekadenz sah. Sein Vater und er richteten sich vielmehr ungeachtet der
finanziellen Ausgaben nach der Status- und Prestigekonkurrenz des erbländischen,
deutschen und europäischen Adels, der sich die ungarische und im ständischen Ver-
gleich sehr junge Familie Esterházy im späten 18. Jahrhundert erfolgreich gestellt
hatte158. Denn in den Erblanden und besonders in Ungarn war das statusgemäße
Verhalten auch nach 1789 weitverbreitete Sozialisationsebene des Adels, getreu den
französischen Vorgaben des Ancien Régime159. Pomp und Zeremoniell resultierte
dabei nicht primär aus Genuss- und Verschwendungssucht, sondern diese kom-
plizierten höfischen Formen hatten auch eine tiefere Bedeutung als Inszenierung
eines Gesellschafts- und Staatstheaters.
Architektur, Kunst und Festgehabe waren hierbei Statusbeweis und rührten sel-
ten aus einer Kennerschaft. Die Künste waren Teil der Hofhaltung, wie die Bilder-
galerie Teil eines herrschaftlichen Schlosses, die Jagd Teil eines großen Festes, das
kostbar gewandete Auftreten Teil des Zeremoniells und der Kauf eines modernen
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur