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3 Schiller, Friedrich : Deutsche Größe (Fragment),
1801 nach dem Frieden von Lunéville, in : Schil-
ler 1983, S. 431–437. Terrorregime, das mit Gewalt und Barbarei die Werte der Aufklärung erzwingen
wollte, der geforderten Vernunft nicht gerecht werden konnte. Doch war der abso-
lutistische Staat, den auch die Fürsten Esterházy stützten, in seinen Grundfesten
erschüttert. Die ständische Welt begann sich langsam aufzulösen. Ein verbinden-
des politisches Nationalbewusstsein fehlte jedoch noch – den weiterhin unmündig
gehaltenen Untertanen ebenso wie den dynastische Interessenpolitik betreibenden
Fürsten und Adligen, wenngleich es ab 1790 auch in Ungarn erste Zeichen einer
nationalen Emanzipation der Adligen gegeben hatte. Nur im geistigen Leben der
deutschen Länder bildete sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Be-
wusstsein einer soziale Grenzen überwindenden nationalen Zusammengehörigkeit
heraus. Die Paradoxie der Zeit zeigte sich exemplarisch an Friedrich Schillers Be-
merkung, das Deutsche Reich und die deutsche Nation seien »zweierlei Dinge …
indem das politische Reich wankt, hat sich das geistige immer fester und vollkom-
mener gebildet«3. Denn die liberale Strömung strebte als Ideal eine konstitutionelle
Monarchie an, bei der sich der Herrscher auf das Bürgertum stützen und auf seine
traditionellen Bündnispartner, den Klerus und den Adel, verzichten sollte.
Ebenso vielgestaltig war die Debatte um die Kunst, ihre Stilformen und ideellen
Aussagewerte. In Schillers populären, im Frühjahr 1795 erschienenen Briefen Über
die ästhetische Erziehung des Menschen zeigte sich die Enttäuschung über das Terror-
regime in Frankreich, das kaum noch etwas mit den demokratischen Forderungen
der Revolution zu tun hatte. Daher stilisierte er die Kunst zur Projektionsfläche für
gesellschaftliche Utopien. In ihr sah Schiller das letzte Refugium der optimisti-
schen Aufklärungshoffnungen. Dabei wusste er sehr wohl, dass Kunst immer auch
das Gegenteil der Aufklärungsideen sein muss, denn Kunst spricht immer in Rät-
seln, verweigert die begriffliche Auflösung grundsätzlich und widersetzte sich so
dem rationalistischen Logozentrismus des 18. Jahrhunderts. In Form des Klassi-
Linke Seite:
»Esterházy Hercegi Család«, Besitzkarte mit den
Flächen in Niederösterreich, Ungarn, Deutschland,
Kroatien, Slowakei, 1887. Esterházy Privatstiftung,
Archive, Kartensammlung.
»Situations Plan der neu zu erbauenden
Wirtschaftsgebäuden auf den Pradio Szász-
Berek«, Planzeichnung von Johann Baptist Pölt
nach Baumeister Joseph Ringer d. J. (1754–1833),
um 1798. Ungarisches Nationalarchiv, Budapest,
Familienarchiv Esterházy, Plansammlung.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur