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PROBIEREN UND
SUCHEN62 4 Siehe Fn.201.
5 Vgl. Kállay 1980 ; Fülöp 1995, S.
84–97.
6 1839 verglich ein Brite den Esterházy-Besitz mit
der Größe des Königreiches Württemberg (vgl.
Paget 1839, S. 45).
7 Vgl. Königlich Württembergisches Allgemeines
Amts- und Intelligenzblatt für den Jaxt-Kreis,
Jg. 1842, Nr. 103 (24. Dezember 1842),S. 861.
Dieses zitiertE angeblich die englische Zeitung
SUN. Zu den rechtlichen Möglichkeiten der un-
garischen Adligen vgl. Wellmann 1988, S. 135ff.
8 Vgl. Gruber/Ersch 1843, S. 349.
zismus war die Kunst zugleich das letzte Stadium des Aufklärungszeitalters und
zugleich das erste nach der Aufklärung.
Nikolaus’ Agieren in dieser »Zwischenzeit« ließ ihn, wie auch die Geistesgrößen
der deutschen Lande, als Suchenden erscheinen : Wie festhalten an der Ordnung, an
deren ständische Spitze seine Familie gerade erst getreten war ? Wollte er den Revo-
lutionen mit Reformen entgegentreten ? Wie konnte man auf die gesellschaftlichen
Veränderungen reagieren, ohne das bestehende System und seine ständische Ord-
nung infrage zu stellen, denn das hieße sie und damit sich selbst zu untergraben ?
Wie höfisch-ständische Ideale leben und sich doch dem Wandel anpassen ? – Es
galt für den Achtundzwanzigjährigen, den gewaltvollen und gewaltigen Umbruch
richtig einzuschätzen. Es galt, die Herrschaftslegitimation durch Repräsentation
zu transformieren. Es galt, Besitz und Einfluss der Familie zu wahren und mehren
und dafür moderne Ansätze in Ökonomie, Verwaltung und Finanzwirtschaft auf-
zugreifen. Es galt aber auch, auf seine durch Geburt erworbenen adeligen Rechte zu
pochen und das aufklärerische Leistungsprinzip nicht außer Acht zu lassen – eine
Gratwanderung.
Diese vielschichtigen Anforderungen sollten die ersten Regierungsjahre bis 1802
in Ökonomie, Herrschaft, Diplomatie und vor allem der Kunst prägen. Nikolaus
würde ausprobieren. Sein Handeln erschien vielgestaltig oder fand auf vielen ver-
schiedenen Ebenen statt. Sein Selbstbild setzte sich aus vielen Identitäten zusam-
men, denn er sah sich gleichermaßen als Fürst und Landmann, Familienvater und
außerehelichen Liebhaber, Wiener Bürger und Ungar. Er war Militär und Kunst-
reisender, durchaus kenntnisreich und geschmackssicher, aber auch wieder dilettan-
tisch. Mit der langen Folge von »et cetera«, die er seinen Funktionen und Identitä-
ten im Brief von 1802 anfügte4, charakterisierte er sich als Suchenden.
1. Als Majoratsherr begütert und spekulationsfreudig
In dieser gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Um- und Aufbruchs-
phase trat Fürst Nikolaus II. also die Regentschaft über 29 Herrschaften im Gebiet
des heutigen Österreich, Ungarns, Sloweniens, der Slowakei und Rumänien an5.
Sein Einflussbereich erstreckte sich damit von den westlichen Ausläufern des Rosa-
liengebirges in Niederösterreich und den Stammgebieten der Esterházy-Herrschaf-
ten in Westpannonien (sog. Obere Herrschaften) bis zu den Wäldern südlich des
Plattensees in Westtransdanubien (Untere Herrschaften), von den Herrschaften
nördlich der Donau (Bittse) bis östlich der Theiß (Levá) in das heutige Rumänien.
Hinzu kamen Hausbesitze in Wien, Ödenburg, Buda, Pest, Pressburg und natürlich
Eisenstadt, dazu 21 Schlösser und Burgen. Mit fast einer Million ungarischer Joch
(431.000 Hektar) Feld-, Wald-, Seen- und Sumpfbesitz war das Esterházy-Land
größer als manch deutsches Fürstentum, wie z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach oder
Anhalt-Dessau6.
Die ungarische Rechtsordnung überließ Nikolaus als Grundherr fast souveräne
Rechte im Umgang mit angeblich 360.000 Untertanen7 in 60 Marktflecken, 414
Dörfern und 207 Prädien8. In seinen Herrschaften hatte der Fürst als Inhaber des
Herrenstuhls die Möglichkeit, Todesurteile zu sprechen (Blutgerichtsbarkeit), war
Kirchenpatron und besaß als Obergespan von Ödenburg die Einnahmenhoheit im
Komitat.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur