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Als Majoratsherr begütert und spekulationsfreudig 63
9 Vgl. Prickler 1995.
10 Viesse de Marmont 1837, S. 38f.
11 Vgl. Pratl 2009, S. 153.
12 Diese mussten dann nicht selten an Bürger-
liche verkaufen, womit ein Durchbrechen der
bislang stark geschlossenen Ständegesellschaft
einherging (vgl. Stekl 2004, S. 23f.; Grüll 1963,
S. 383f.).
13 Nikolaus II. an Graf Adam Reviczky, 13. No-
vember 1828, in : MOL, FAE, P134, H, 5cs,
Beilage 6a, b.
14 Karl, der den damaligen Prinzen Nikolaus 1792
auf der Krönungsmission des Fürsten Anton
Esterházy in Frankfurt begleitet hatte, sollte im
Laufe seines Lebens seinen eigenen Besitz durch
Gütertausch fast gänzlich ruinieren. Das Dienst-
verhältnis dauerte nur zwei Jahre.
15 Die Esterházy-Erb-Postämter waren noch bis
1848, mit der Aufhebung der herrschaftlichen
Rechte, eine Einnahmequelle des Majorats (vgl.
Wurth 1994 ; Wurth 2009).
16 Vgl. Tobler 1994, Tobler 1995. Wirtschaftshisto-
risch steht allerdings ein Vergleich mit anderen
Großgrundbesitzern dieser Zeit aus ; auch die
Wirkungen der Reformen im Esterházy-Majorat
sind nie untersucht worden. Als Majoratsherr war der Fürst Eigentümer des unveräußerlichen Familienbesitzes
und damit Besitzer von Meierhöfen, Heuschupfen, Körnerkästen, Schweizereien,
Schafhöfen, Wirtshäusern, Fleischbänken, Getreidemühlen, Sägemühlen, Tabak-
mühlen, Brauhäusern, Kalköfen, Ziegelöfen, Pulverstampfen, Pottaschesiedereien,
Holzöfen, einer Papiermühle, einer Hammerschmiede, einer Hacken- und Nagel-
schmiede, den herrschaftlichen Backhäusern, Salpeterwerken, Weinkellern und
Mostereien9. Aufgrund dieser Machtfülle und des Reichtums beschrieb man Rang
der Esterházy-Fürsten folgendermaßen : »Diese Existenz des Fürsten Esterhazy ist
vielleicht die Einzige in Europa, welche an die großen Vasallen des Mittelalters
erinnert …, [die] dem eines Souveräns gleich käme … Ein Fürst Esterhazy und in
einem Lande, das so konstituiert ist wie Ungarn, hat Elemente von Größe, geeignet
die größte gesellschaftliche Existenz zu sichern, welche man außer einem Throne
genießen kann.«10
Diesen Riesenbesitz übernahm Fürst Nikolaus 1794 mit 5,6 Millionen Gulden
Schulden11, was beim österreichischen Adel dieser Zeit allerdings nichts Seltenes
war, da die aufwendigen höfisch-staatlichen Funktionen sowie Steuerbelastungen
bei fast allen großen Häusern, wie den Liechtenstein, Festetics oder Hoyos, zu ho-
hen Verschuldungen führten. So kam es zwischen 1787 bis 1844 in den Erblanden
immer häufiger zum Konkurs adeliger Familien12.
Nikolaus sah sich in Anbetracht der von seinem Vater übernommenen Verwal-
tung, fehlender Instruktionen für die Herrschaften, geringer Viehbestände und
schlecht erhaltener Bauten in der Pflicht, die »gewöhnliche Wirtschaftsart der älte-
ren Zeiten« zu reformieren. Er begann, wie er später schrieb, »nach und nach«13 das
Majorat umzubauen und neue Infrastrukturen und Meliorationsextrakte, also An-
weisungen zur Ertragssteigerung der Ökonomie, zu erlassen. Verantwortlich hierfür
war ab April 1794 der von Nikolaus als Plenipotentär (Generalbevollmächtigter)
eingesetzte Graf Karl Esterházy (1756–1828) aus der Linie Altsohl14.
Neben der traditionellen Ländereienpflege begann der junge Fürst Nikolaus
noch 1795 das Postwesen als ein gänzlich neues Aufgaben- und Einnahmefeld für
die Esterházy zu erschließen. So kaufte er ab 1795 schrittweise alle Erb-Postämter
auf seinen westungarischen und ostösterreichischen Herrschaften auf und konnte
damit ab ca. 1805 den stark frequentierten Verkehr der Brief-, Fahr- und Reise-
post zwischen Wien, Ödenburg und Pressburg fast gänzlich übernehmen. Dies
war im Zusammenhang mit den ohnehin überall vorhandenen herrschaftlichen
Pferdeställen und Verwaltungseinheiten eine ökonomisch sinnvolle Zusammen-
führung mit der herrschaftlichen Infrastruktur, die langfristig neue Einnahmen
erschloss15.
Mit der anschließenden Gründung der Geheimen Wirtschaftsdirektion (ab
1806 als Domänendirektion bezeichnet) sollte ab 1796 im Rahmen einer Struktur-
und Wirtschaftsreform eine Zwischeninstanz von den Herrschaften zur fürstlichen
Hauptverwaltung der Domäne geschaffen werden16. Diese optimierte und regu-
lierte die Einnahmen der Herrschaften und dirigierte die wichtigste Innovation
Nikolaus’, die Schafhaltung, die bis Mitte des Jahrhunderts zur wesentlichsten wirt-
schaftlichen Grundlage des Majorats werden sollte.
Ausgehend vom Ziel der österreichischen Merkantilisten, sich von Wollimpor-
ten aus dem Ausland unabhängig zu machen, förderte der unternehmungsfreudige
Fürst Nikolaus seit seinem Regierungsantritt den Ausbau der Schafzucht auf seinen
Herrschaften. So stieg die Zahl der Tiere von 32.000 (1794) in den ersten sechs
»Vollständige Übersicht der sämtlichen
Hochfürstlich Eszterházischen Majorats
Schäfereyen«, 1807–1816, Prunkband, Titelblatt, 1807.
Esterházy Privatstiftung, Archive.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur