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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
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Page - 64 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers

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PROBIEREN UND SUCHEN64 17 Vgl. Nikolaus II. an Graf Adam Reviczky, 13.  November 1828, in : MOL, FAE, P134, H, 5cs. Vgl. auch : Vollständige Übersicht der sämtli- chen Hochfürstlich Esterházischen Majorats Schäfe- reyen, 1807–1816, in : EPA, Prot. 7613. 18 Es wurden in den 1790er-Jahren hierzu zahl- reiche Fachpublikationen erworben und auslän- dische Experten wie der belgische Wollzucht- fabrikant Johann Franz Cadet herangezogen, für den sogar Fürstin Maria Hermenegilde um Einreisegenehmigung nach Österreich ansuchte (Passansuchen der Fürstin Maria Hermenegilde für Cadet, 7. April 1799, in : ÖStA, AVA, Poli- zeihofstelle 1799/249). Denn auch deren Bruder Prinz Johann Liechtenstein experimentierte ab 1789 auf seinem Gut Loosdorf in Niederöster- reich mit neuem Schafzuchtmaterial, wofür er aus Spanien eine Herde der mit einem Ausfuhr- verbot belegten Merionschafe schmuggeln ließ (vgl. Lengerke 1838, S.  612). 19 Die wirtschaftliche Verbesserung der Schafzucht war für Nikolaus um 1800 das große Thema : Immer wieder schrieb er, dass die Schafe in gutem Zustand seien, und gab seiner Geliebten detaillierte Tipps zur Aufzucht der Schäflein, die er ihr übersandt und ans »Herz gelegt« hatte (Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 14. Oktober 1798, in : MOL, FAE, P134, E, Nr.  686). 20 Am Esterházy-Hof selbst waren es der Hofstall- Direktor Valentin Hauter, ehemaliger Bereiter am herzoglichen Hof Pfalz-Zweibrücken, und sein Landsmann, der Architekt Maximilian von Verschaffelt (1754–1818), der 1802 bis 1804 fürstlich Esterházy’scher Architekt und später Oberbaudirektor sein sollte. Dessen Vorgänger war der gebürtige Schweizer Jean-François Thomas de Thomon, der zusammen mit Jules- François-Armand Duc de Polignac (1745–1817) aus Paris geflohen war. Polignac galt als Anwalt der französischen Flüchtlinge in Wien ; Fürst Nikolaus stellte ihm ab dem Sommer 1796 sein Schloss Kittsee zur Verfügung (vgl. Kalamár 2004, S.  112f.). Ein anderer Franzose, Jean Baptist Louis de Marialla, war ab 1800 in der fürstlichen Bibliothek angestellt, die Kammer- diener des Fürsten waren Anton Walter aus St.  Petersburg und Joseph Parisot aus London (vgl. Kállay 1994), sein Privatsekretär Peter Ru- dolf Franz hatte in Neapel als Gesandtschaftsse- kretär Auslandserfahrungen gemacht (vgl. MOL, FAE, P156, Bd. 29 und P108, Rep. 60, Fasz. M, Nr.  74–76). Der Koch Declain und fast alle seine Kollegen in der Hofküche waren traditionell Franzosen ; Erbprinz Paul Anton hatte damals fast ausschließlich französische Gouverneure und wurde ab ca. 1797 von einem Abbé Bagot unter- richtet. Jahren auf 74.000 (1800), um mit bis zu 200.000 Schafen ab 1806 ihren Höhe- punkt zu finden17. Es entstanden zahlreiche neue Schafhöfe, die bis zu 1.000 Tieren in standardmäßig symmetrisch gruppierten Anlagen Platz boten, denen allerdings keine ästhetische Bedeutung zugemessen wurde. Das leidenschaftliche Engage- ment Esterházys für die Schafhaltung und -zucht brachte bedeutende Einnahmen in die Kassen des Majorats. Zahlreiche Experten aus ganz Europa wurden kon- sultiert, Endabnehmer in den Produktionsprozess eingebunden und ausländisches Zuchtmaterial nach Ungarn gebracht18. Dieses kluge, innovative und international denkende Engagement des jungen Majoratsherrn trug wesentlich dazu bei, dass Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts an die erste Stelle der Schafwollprodu- zenten Europas rückte19. Ebenso international wie auf dem Gebiet des Innovationstransfers für seine Gü- ter war der Hofstaat des jungen Fürsten. Dieser bestand aus vielen hoch qualifi- zierten Flüchtlingen, die wegen der politischen Umbrüche aus dem revolutionären Frankreich und den von den Franzosen annektierten westdeutschen Kleinstaa- ten nach Wien gekommen waren20. Die im Vergleich mit anderen erbländischen Adelshäusern ungewöhnlich hohe Internationalität wurde von der Polizeihofstelle als »Franzosenfreundlichkeit« im Hause Esterházy genau beobachtet, da diesen »fremden« Mitarbeitern das aufgeklärte und revolutionäre Gedankengut der Fran- zösischen Revolution unterstellt wurde. Es hieß, dass Nikolaus’ Beamte »sehr gut französisch denken, und öfters sich auch zum Nachtheil von Österreich, und mit Lobes Erhöhungen zu gunsten Frankreich sich laut heraus lassen«21. Die Internationalität und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen inner- halb der Hofdienstfamilie darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ni- kolaus am herkömmlichen Gesindebegriff festhielt, wonach die Mitglieder des Hofstaates unter der Gewalt des Fürsten in seiner hausrechtlichen Abhängigkeit standen und als Hofdienstfamilie angesehen wurden22. In Anbetracht der fürstli- chen Lebensführung monierten sie jedoch, dass »die Dienstleute mit der strengen Ökonomie behandelt werden« und gleichzeitig der Fürst »in seinem Privatleben nicht nach den nämlichen Grundsätzen lebt, ja selbst manche Summen ver- schwendet«23. Wegen Nikolaus’ sprunghafter Personalpolitik und seinen oftmals sehr unsteten Entscheidungen sprachen sie gar »von vielen hochfürstl Dumm- heiten«24. – Hier zeigte sich die Kluft zwischen bürgerlicher Emanzipation und feudaler Regierungsweise. Nikolaus war diese neue Bildungselite zwar wichtig und nützlich, doch »Remarquen, oder Opinionen über meine Schlussfolgerungen oder Geschäfte«25 verbat er sich. Ebenso blieb er den Privilegien als Grund- und Feudalherr verpflichtet und zog seine Einkünfte wesentlich aus den Abgaben der untertänigen Bauern. Die ländli- che Armut stand nach wie vor in eklatantem Widerspruch zum Vermögen des Fürs- ten, auch wenn man Nikolaus gern als aufgeklärten Menschenfreund und Wohltäter gesehen hat. So wurde 1799, als er bei einer Krankheitswelle den Bauern kostenlose Behandlung und Medikamente zukommen ließ, wegen »schöner Menschlichkeit«, dem Vaterlande »wohlthätig«26 dienend, gelobt. Doch trotz moderner Innovationsfreude, kluger und vorausblickender Investiti- onsfreude und der Internationalität seiner Hofdienstfamilie blieb der junge Fürst überlieferten autokratisch-feudalen Traditionen fest verhaftet, zu denen auch die traditionelle Repräsentation zählte.
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Nikolaus II. Esterházy und die Kunst Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Subtitle
Biografie eines manischen Sammlers
Author
Stefan Körner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 2.0
ISBN
978-3-205-78922-2
Size
23.0 x 28.0 cm
Pages
404
Category
Kunst und Kultur
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