Page - 72 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
Image of the Page - 72 -
Text of the Page - 72 -
PROBIEREN UND
SUCHEN72 Skulptur der Aphrodite Kallipygos entlehnte, der
Schlüssel : Diese Venus mit dem schönen Hin-
tern war der Überlieferung nach die Stiftung
zweier Mädchen für den Tempel der Aphrodite
in Syrakus, die um die Gunst eines Jünglings
gestritten hatten. Dieser entschied, sich selbst
mit der Älteren und Reiferen, die Jüngere, aber
Schönere mit seinem Bruder zu vermählen, was
vielleicht als Hinweis auf den Bruch der Liaison
des Fürsten und die bevorstehende Hochzeit der
Smidt gedeutet werden könnte. Die dann ver-
mählte Savoet-Smidt-Ceas erhielt noch bis 1834
große Zahlungen aus der fürstlichen Kasse (vgl.
EPA, GC Handbuch 1795, fol. 159 ; MOL, FAE,
P163, Fasz. 36, Nr.
645 und Fasz. 9, Nr. 182),
welche sie für ihre Bauten auf der 1804 südöst-
lich von Paris erworbenen Herrschaft Menchy
(Combs-la-ville) nutzte.
53 Museum der Schönen Künste Budapest, Gemäl-
degalerie, 469 (vormals Sammlung Esterházy).
Vgl. Museum of Fine Arts Budapest 2003, S. 67f.
54 Goethe 1805, S. 172.
55 Vgl. ehem. EPA, CD 1797/158, 25. Januar 1797,
zit. in : Meller 1915, Quellenteil : Nr. 43.
56 Wohl Giovanni Andrea de Marinis Marquis de
Genzano, Palazzo Gervasio, Neapel (vgl. Röttgen
2001, Kat.-Nr. 57, S. 206f.)
57 Vgl. Garas 1999, S. 114f.
58 Einzig erwähnt bei Garas 1999, S. 111.
59 Vgl. Passeri 1795, Widmung.
kolaus in diesen Tagen das Gemälde Das Kind Pyrrhus von König Glaukos53 und folgte
damit dem wenig innovativen, aber populären Zeitgeschmack, denn die Kauffmann
galt Goethe als »Liebling aller bloß schauenden und genießenden Kunstfreunde,
auch von ernstlich prüfenden Kennern, doch mit billiger Mäßigung, hochgeachtet«54.
Gleichzeitig mit den Kauffmann-Aufträgen zeigte sich Fürst Nikolaus begeis-
tert von den Werken des 1779 verstorbenen Anton Raffael Mengs, der als zweiter
Raffael gefeiert worden war. Sein akademischer Klassizismus rührte aus der tatsäch-
lichen Anschauung der antiken Kunst und wurde durch ihn in theoretischen Äuße-
rungen und seinen Gemälden schulbildend formuliert. Euphorisch wünschte Niko-
laus das Gemälde einer Magdalena von ihm zu besitzen, was ihn zum ungestümen
Ausspruch »senza la quale mi pare non poter vivere«55 hinreißen ließ. – Das Bild
befand sich damals im Besitz der Marquis de Genzano in Neapel56. – Doch Mengs’
akademischer Klassizismus57 war inzwischen umstritten, denn Fernow propagierte
in seinen Kursen in der Villa Malta eine grundlegende Erneuerung, und Carstens
stellte gerade seine Zeichnungen in Rom aus, welche die Erfindung des Künstlers
und nicht mehr die Naturanschauung in den Mittelpunkt stellten.
Doch Nikolaus dürfte von dieser richtungsweisenden Debatte nicht viel mitbe-
kommen oder gehalten haben, da er stattdessen den neapolitanischen Kunsttheo-
retiker Nicola Passeri (1729–1799) und die Publikation seiner Schrift Del metodo
di studiare la pittura, e delle cagioni di sua decadenza unterstützte. Denn hierin for-
derte Passeri in imaginären Gesprächen zwischen Mengs und Winckelmann die
Erneuerung der italienischen Künstlerausbildung im Sinne des akademischen
Klassizismus 58. Passeri war überzeugter Verfechter dieser »alten« Generation
deutscher Klassizisten in Rom und stilisierte Nikolaus zu deren Protektor, dem er
sein Werk widmete. Über die Liebe des Fürsten für die Malerei, »dieser mächti-
gen Zauberin, die unter der glatten Oberfläche die verführerische Illusion der Na-
tur zu verschaffen im Stande ist«, vereinnahmte der Kunstkritiker den Fürsten für
den Mengs’schen Akademismus. Als Sammler erfreue sich dieser an den Werken
des menschlichen Geistes und vermehre mit Kennerblick seine Bildersammlung
mit Werken italienischer Meister. Sein Mäzenatentum sei auch für die weitere
Kunstentwicklung in Italien unablässig, da das Talent der Künstler ohne seines- Fürstin Maria Hermenegilde Esterházy, Gemälde von
Angelika Kauffmann (1741–1807), 1795. Sammlungen
der Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz – Wien.
Prinz Friedrich Christian von Sachsen (1722–1763),
Gemälde von Anton Raphael Mengs, um 1750.
Esterházy Privatstiftung, Schloss Eisenstadt.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur