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Auf Italienreise enthusiastisch und modebeflissen 73
60 Die spätere Handbibliothek der Galerie besaß
Schriften aller Richtungen, so von Winckel-
mann, Mengs und Fernow (vgl. Ujvári 2007).
61 Es gäbe genügend Dinge, schrieb er, die ihn
traurig oder ernst machten (vgl. Nikolaus II.
an Henriette Zielinska, 7. Dezember 1796, in :
MOL, FAE, P134, E).
62 »Die Wiener kümmern sich nicht viel darum
… Wenn ich so bedenke, wie in andern Städten
Deutschlands in dem unaufhörlichen schöngeis-
terischen, oder gar kritischen Geschwätz, doch
fast immer nur die hohle Journallekture wie-
dertönt … Wenn ich bedenke, wie die meisten
Urtheile und Aeußerungen der schöngeistigen
Menge fast überall nur solch sinnloses Plappern
ist ; so kann mir ordentlich wohl werden, in einer
Stadt zu sein, wo ich dafür so gänzlich gesichert
bin« (Reichardt 1810, Bd. 1, S. 287ff.: 17. Brief,
31.12.1808). gleichen nicht sichtbar werde. Und so schlussfolgerte und forderte Passeri : »Gebt
mir einen Prinzen, der sich in die schönen Künste verliebt und ihr seht große
Mengen von Genies im geistreichen Wettstreit !« Nikolaus, der freilich am Beginn
seiner Sammlerkarriere stand, wurde bereits mit den Mäzenen der »glücklichsten
Zeiten«, den Medici, Sforza, Gonzaga, Rovere, d’Este gleichgesetzt. Diesen sei
große Anerkennung zu zollen, denn sie weckten in der Renaissance Talent und
Genie in den Künstlern. Jetzt seien es so hochgebildete Geister wie Nikolaus
Esterházy, die die Kunstwelt Italiens befördern würden59. – Ob Nikolaus wusste,
was hier über ihn geschrieben wurde, ob er las, was Passeri in seinen Dialoghi an
Überlegungen zu einer neuen Schule und Ausbildungsweise von Künstlern im
Geiste des akademischen Klassizismus formulierte, ist ungewiss. Das Buch muss
in sehr kleiner Auflage entstanden sein, denn es blieb in den zeitgenössischen
Diskursen der Zeit unbemerkt.
In jedem Fall aber war Nikolaus umgeben von einflussreichen Experten, wie
Hirt und Lamberg-Sprinzenstein, eifrigen Kunstfreunden, wie Prinz Augustus
Frederick und Louise von Anhalt-Dessau, etablierten Künstlern, wie der Kauff-
mann und Hackert, und innovativen Geistern der sich wandelnden Geschmacks-
welt, wie dem Kreis um Koch und Carstens. Diese beförderten die sich über-
schlagenden philosophischen und kunsttheoretischen Diskussionen der Zeit. Und
obwohl sich Nikolaus dem konservativen akademischen Klassizismus verhaftet
zeigte und sogar als Mäzen ein theoretisches Werk in diesem Geiste unterstützte,
dürfte der Geschmacksdiskurs für ihn kaum Bedeutung gehabt haben60, da er
zumindest in der Lektüre eher Vergnügliches, ihn zerstreuende leichte Belletristik
präferierte61. Auch war südlich der Alpen und in Wien der kunstphilosophische
Diskurs kaum ausgeprägt, wie Johann Friedrich Reichardt, ein Freund der Fürstin
von Anhalt-Dessau, berichtete62. Man erfreue sich nicht an hitzigen Diskussio-
Titel und Widmungsseite von Nicola Passeri (1729–
1799): Del metodo di studiare la pittura, e delle cagioni
di sua decadenza Dialoghi, Neapel 1795.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur