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PROBIEREN UND
SUCHEN80 75 Dies führte ab 1805 die Idealansichten der ge-
planten Eisenstädter Kulturlandschaft aus, wofür
er von Graf Lamberg-Sprinzenstein empfohlen
wurde (vgl. EPA, CD 1813/1533).
76 Kniep hatte um den Jahreswechsel 1803/04 auch
Prinz Moritz Liechtenstein (1775–1819), den
späteren Schwiegersohn Nikolaus’, kennenge-
lernt und wurde seitdem von Liechtenstein mit
monatlichen Pensionen unterstützt, wie es in
seinem Nachruf steht (vgl. Striehl 1999, S. 8).
Nachweislich war Moritz Liechtenstein ab Win-
ter 1803 bis Sommer 1804 in Italien (vgl. Wolf
1875, S. 305).
77 Franz Nikolaus Esterházy verkaufte zusammen
mit seinen Brüdern nach 1771 Isabella Lubo-
mirska das Palais auf der Mölkerbastei, das seiner
Mutter, Maria Susanna Anna Christ, adoptierte
Lubomirska (1722–1771), gehört hatte. Um 1795
lieferte der Architekt Nikolaus’ II., Thomas de
Thomon, Entwürfe für die Lubomirski-Galerie
in Łańcut, ab 1806 baute der Architekt Charles
Moreau das Lubomirski-Palais in Wien um.
78 So bauten 1795 und 1806 Nikolaus’ Hofarchi-
tekten deren Galerie in Łańcut und ihr Palais in
Wien um.
79 Vgl. Brief des Mattia Zarullo, ehem. in : EPA,
CD 1797/20, 30. August 1796, zit. in : Meller
1915, Quellenteil : Nr. 41. Gennant wird auch
ein gewisser Gennarino.
80 Rezzonico war bedingungsloser Verfechter des
orthodoxen Klassizismus, war Kunstkenner
und -theoretiker. Auf zahlreichen Reisen durch
Europa war er auch in Wien gewesen, wo er die
Kunst der Flamen und Holländer in der Galerie
von Nikolaus’ Schwager Aloys Liechtenstein und
den kaiserlichen Sammlungen studiert hatte (vgl.
Guagnini 1991).
81 Vgl. Rezzonico 1819, S. 44.
82 Vgl. zur Provenienz und kunsthistorischen
Einordnung : Garas 1989.
83 In der Generalcassa befindet sich unter den
Barauszahlungen am 5. Juni 1795, Bankhaus
Reymund Piatti Neapel, der außergewöhnlich
hohe Einzelbetrag von 6.333 Golddukaten ; vgl :
EPA, GC 1795, Fasz. 10, Rub. 10.
84 Goethe 1978, 22. März 1787.
85 Vgl. Neues Allgemeines Künstlerlexikon 1849,
S. 246ff. Hier wird geschildert, dass das Bild
1796 angeblich zurück nach Rom gesandt wurde.
86 Vgl. Brief Fürstin Louises von Anhalt-Dessau
an Friederike Brun, 12. August 1796, zit. nach :
Walser-Wilhelm 1998, S. 353. Fürstin Louise
sandte Angelika Kauffmann einen Stich der
Caritas nach Rom.
87 Vgl. Hirt 1808, S. 569.
88 Vgl. Jäck, Heinrich Joachim : Wien und dessen
Umgebungen, Weimar 1822, S.
194f., Fn. 35.
Auch in der Sammlung des Cavalier-Bruders
von Nikolaus, Fürst Dietrichstein, befand sich
Anfang des 19. Jahrhunderts ein vermeintlicher
Correggio von Unterberger, den dieser für 4.000
Gulden erworben hatte.
maler nach Eisenstadt75 belegen, wie einflussreich die Italienreise für das fürstliche
Kunstsammeln und -beauftragen war76.
Am einflussreichsten unter den Beratern und Vermittlern des kauffreudigen Es-
terházy-Fürsten in Neapel dürfte Mattia Zarullo, Präfekt des königlichen Museums
von Capodimonte gewesen sein, der mit Nikolaus wohl über den Gesandten in
Neapel, Graf Franz Nikolaus, in Kontakt kam, da Zarullo auch dessen Großtante,
die polnische Sammlerin Fürstin Isabella Lubomirska (1736–1816), in Kunstdin-
gen beriet77. Es ergaben sich langfristige Kontakte zwischen Nikolaus II. und der
Lubomirska78, und Zarullo erhielt von Nikolaus den Auftrag, Kunstwerke und Lu-
xusartikel in Italien für ihn zu erwerben. Im August 1796 trafen die von Zarullo
versandten Kisten mit Ringen, Tabatieren und Gemälden in Wien ein. Bei den
Bilderkäufen folgte Zarullo der Anweisung Nikolaus’, nur Bilder von Correggio,
Guido Reni, Domenichino und Andrea del Sarto zu erwerben79.
Hierfür hatte Zarullo neben dem Kunsttheoretiker Nicola Passeri zusätzlich
auch Carlo Gastone della Torre di Rezzonico (1742–1796) beratend hinzugezogen,
da der ehemalige Sekretär der Accademia di Belle Arti in Neapel ausgewiesener
Correggio-Experte war80. So hatte Rezzonico Correggios Leda mit dem Schwan
(Berliner Galerie) und die Madonna del Latte81 beschrieben, die, aus dem Besitz
von Kardinal Crivelli stammend, 1795 in Neapel zum Verkauf stand82. Nikolaus,
gut beraten, kaufte das Gemälde im Juni 179583 und hatte damit ein Spitzenwerk
seiner aufzubauenden Galerie erworben. Selbst Johann Wolfgang Goethe hatte
von der Correggio-Madonna geschwärmt, die »das glücklichste Gepräg des Reizes
unausgelöscht mit sich führt«84. Ihrem Reiz konnte sich der junge Kunstsammler
Nikolaus offensichtlich auch nicht entziehen.
Gleichzeitig waren von ihm auch seine römischen Berater auf Werke von Cor-
reggio angesetzt worden. So verhandelten Ernst Friedrich Herbert zu Münster
und Aloys Hirt 1795 über den Kauf einer Caritas, die ebenso von Correggio stam-
men sollte. Auch dieses Gemälde war populär, obwohl es unvollendet geblieben
war. Als der Händler Lovera die Caritas 1786 vom Mengs-Schüler Christoph Un-
terberger (1732–1798) erworben hatte, galt sie schnell in Roms Kennerkreisen als
unbekannter Correggio, obwohl der Verkäufer seinen Bruder Ignaz Unterberger
(1748–1797) als Maler angab. Dennoch hielt sich die Zuschreibung des Bildes an
den Renaissance-Italiener hartnäckig. Es wurde sogar 1792 gegen Geldzahlungen
vom Engländer Day gezeichnet, um es von Raffaello Morghen (1758–1853) ste-
chen zu lassen. Damit war die vermeintliche Correggio-Caritas nun in ganz Eu-
ropa bekannt. Fürst Nikolaus erwarb das Bild 1795 schließlich für 1.200 Dukaten,
jedoch unter der Bedingung, falls es doch kein Correggio sei, den Kauf rückgängig
machen zu können85. Dies erwies sich schnell als kluge Voraussicht, denn der in-
zwischen in Wien lebende Ignaz Unterberger bestätigte nach Nikolaus’ Rückkehr
aus Italien seine Urheberschaft der Caritas und zerstörte den Correggio-Mythos,
dem auch Hirt erlegen war. »Ein zweiter Corregio hier … Ach ! so etwas sahest
Du noch nie, unser Hirt staunte selbst«86, schrieb 1796 Louise von Anhalt bewun-
dernd, denn die hohe Qualität verblüffte und täuschte alle Experten87. Deshalb
dürfte auch Esterházy das Bild behalten haben, beließ es allerdings bei der An-
zahlung an den Kunsthändler Lovera. – In der späteren Esterházy-Galerie hing
die Caritas – richtig als Unterberger bezeichnet – unter den deutschen Meistern,
und die legendenreiche Herkunftsgeschichte unterhielt noch lange die Kunstbe-
sucher88.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur