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Als regierender Souverän feierlich und ambitioniert 119
264 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 17. Juni
1801, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 726.
265 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 10. Juli
1801, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 742.
266 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 30. Juli
1801, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 740.
267 Zur Neuanlage während der Depression vgl. Ni-
kolaus II. an Henriette Zielinska, 25. Juni 1801,
in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 744. Zur »neuen
Anlage« vgl. Ehmke 2001, Heft 2, S. 54ff. Eine
frühere Anlage von Thomas de Thomon, wie
es Kalamár vermutet, an dieser Stelle ist sehr
unwahrscheinlich (vgl. Kalamár 2004, S.
115).
268 Hárich 2001, S. 18ff. 1805 und um 1820 wur-
den weitere Grundstücke zur Erweiterung des
Gartens erworben.
269 Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher, 6. Juli
1802, in : ÖNB, Han, Ser. 197, S.
56v. Auch im folgenden Sommer schienen sich die Symptome nicht zu verbessern, son-
dern verminderten darüber hinaus noch seine Konzentrationsfähigkeit : »Ich habe
große Schwierigkeiten, das zu kombinieren, was ich gewöhnlich leicht erledige.«264
Die heute als Burn-out medizinisch beschriebenen Überlastungssymptome des
Fürsten und die Flucht vor den ihm auferlegten, aber auch selbst gewählten Ver-
pflichtungen und Aufgaben, die er stets in großer Eile und perfektionistisch zu
erledigen trachtete, ließen die depressiven Anlagen Nikolaus’, die ihn sein gesamtes
Leben begleiten und beeinträchtigen sollten, zum Ausbruch kommen. Die heute
bekannte Psychotherapie hätte ihm möglicherweise geholfen, einen neuen persön-
lichen und damit auch gesellschaftlichen Standort zu finden. In Ermangelung des-
sen blieb Nikolaus mit der Diagnose einer »Nervenschwäche« den ganzen Sommer
in Eisenstadt im Bett, wo er seelisch und physisch fror, denn bereits im Juni 1801
ließ er das Kaminfeuer anzünden.
Trotzdem oder gerade deswegen entstanden in dieser Zeit der auferlegten Ein-
kehr und Muße neue Ideen zu Eisenstadt. Einige private »Zimmer, die Staunen
bringen sollen«265, ließ er neu tapezieren, er plante den Weiterbau der Reitschule an
den Stallungen und schilderte begeistert wie ein Kind, dass er durch die Wälder des
Leithaberges geritten sei, wo noch kein Mensch vor ihm gewesen sei. Von den Ärz-
ten aller lästigen Verpflichtungen beim Militär oder am kaiserlichen Hof entbun-
den, entwickelte er damals die Idee zur Verschönerung seiner Residenz Eisenstadt.
So wollte er die Stadt, ihre Höhen am Leithagebirge genauso wie den Schlossbezirk
und den Garten einbeziehen : »Je travaille à embellir.«266 Mit diesen raumgreifen-
den Ideen schienen seine Lebensgeister erneut geweckt, und Nikolaus konnte sich
mit dem üblichen Eifer und der gewohnten Tatkraft seinen Visionen für Eisenstadt
widmen, die besonders im Garten bisher nur kleinteilige Eingriffe gewesen waren.
Erst jetzt, während seiner depressiven Erkrankung vom Spätsommer 1800 bis
zum Sommer 1801 und mit der damit einhergehenden intensiven Beschäftigung
Nikolaus’ mit der Landschaft um seine Residenz, entstanden neue Pläne, die syste-
matische Visionen der zukünftigen Gesamtgestaltung vermuten ließen. So wurde
an der Westseite des Schlosses die Böschung zur Wiener Straße abgegraben, um
den Garten an seiner Westgrenze mit der »Neuen Anlage« zu erweitern, die eine
Art Probeanlage eines englischen Gartens für das Gesamtareal war267. Daraufhin
erwarb der Fürst ab 1801 ca. sechzig nördlich an den Hofgarten anschließende
Parzellen268, um auch dort den Garten deutlich erweitern zu können. Seine gestal-
terischen Überlegungen und Entscheidungen blieben bei aller Systematik dennoch
wie immer gehetzt. Er verlangte auch jetzt nach schneller Umsetzung und konnte
trotz der Einkehr Pläne nicht reifen lassen. Deshalb lag ein Gesamtplan nicht vor ;
es wurde in den Gestaltungsformen ausprobiert und nach Ideen gesucht. Dass es
den Garten wie auch die Residenzanlage an sich zu vergrößern galt, war die einzige
eindeutige Vorgabe.
Schließlich waren 1802 die Arbeiten am neuen Glashaus, einem bloßen Funkti-
onsbau auf dem Plateau des ehemaligen Lindenwaldes, in vollem Gange. Alles war
aufgegraben und im Umbruch zur englischen Anlage, »welche wirklich kaum die
Idee eines möglichen Gartens entdeckt«269. Experimente für den Bau einer Wasser-
maschine, die Wasser in die Anlagen bringen sollte, scheiterten.
Zur Umsetzung seiner Ideen engagierte Nikolaus II. jedoch nun Maximilian
von Verschaffelt (1754–1818), der gut fünf Jahre nach dem Weggang Thomas de
Thomons als Leiter des Bauamtes die architektonischen Projekte betreuen sollte.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur