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Als regierender Souverän feierlich und ambitioniert 121
276 Vgl. Vollmacht für den Grafen Fugger zur
Einwerbung von 2.000.000 Gulden, in : EPA,
CD 1800/540, 27. März 1800.
277 Rosenbaum, Karl Joseph : Tagebücher, 8. Januar
1800, in : ÖNB, Han, Ser. 195, S.
61v.
278 Vgl. sog. Szentgály-Akten, in : MOL, FAE,
P171. Vgl. Tobler 2009, S. 136.
279 Vgl. Nikolaus II. an Graf Adam Reviczky,
13. November 1828, in : MOL, FAE, P134, H,
5cs, Beilage a, b.
280 Chenevise Trench 1862, 17. April 1800, S. 70.
281 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 3. Juli 1802,
in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 746.
282 Nikolaus II. an Henriette Zielinska, 29. März
1802, in : MOL, FAE, P134, E, Nr. 744. anderweitig fachlichen Beistand und Rat zur Sanierung zu holen. Doch versagte er
sich gleichzeitig radikalen und einschneidenden Schritten in der Majoratsökono-
mie, wie sie der hinzugezogene Wirtschaftsexperte Fürst Georg Adam Starhem-
berg (1724–1807) vorschlug. Moderater erschienen Nikolaus II. anscheinend die
Sanierungspläne des Hofrats der ungarischen Finanzhofstelle, Graf Carl Zichy
(1753–1826), der ab 1800 Generalbevollmächtigter des Majorats wurde. Trotz Kre-
diten276 verschlankte er den fürstlichen Hofstaat, die Kapelle und das Schauspiel
personell so sehr, dass manche vom »Verfall des Hauses«277 sprachen. Als neuer
Güterdirektor und Präsident der Wirtschaftsdirektion (später Domänendirektion)
wurde Johann Szentgály eingestellt, der über zwanzig Jahre das Amt ausüben sollte
und erstmals ein einheitliches Besoldungssystem der Esterházy-Beamten schuf 278.
Schnell führten allerdings die Abläufe seiner Behörde auch zu komplizierten Über-
schneidungen mit der Zentraldirektion, die weiterhin direkt dem Fürsten unterstellt
war, der nach wie vor von seinen Ideen geradezu getrieben schien. Daher stieg trotz
aller Bemühungen um Rationalisierung die Schuldenlast des Majorats bis 1802 um
2,4 Millionen Gulden, wobei die jährlichen Einnahmen nur bei ca. 889.000 Gul-
den lagen279. Und auch die allgemeine öffentliche Wahrnehmung des sagenhaften
Reichtums der Esterházy wurde merklich durch deren Verschuldung getrübt. So
bemerkte die Engländerin Melesina Chevenix, dass trotz der großen Einnahmen
das Haus Esterházy »greatly in debt«280 sei. Deshalb war Zichy gezwungen, 1802
zusammen mit den Agnaten, also Mitgliedern der gräflichen Linien der Familie
Esterházy, einen Familienvertrag (Feyerlicher Familientractat) zu schnüren, der die
getätigten Großinvestitionen und die daraus resultierende Höherverschuldung le-
gitimierte. Doch Nikolaus blieb »wie auf Nadeln«281, die Liquidation der Familie
zu beenden. So empfand er am Ende der ersten Phase seiner Majoratsregierung
resigniert : »Niemand hilft mir und ich bin ganz allein.«282 Ein Gefühl, das ihn zeit
seines Lebens begleiten sollte.
Als Nikolaus 1794 an die Regierung seines Majorats kam, war die Gesellschaft der
deutschen Staaten und damit auch die des administrativ an Österreich angeschlos-
senen Ungarns im Umbruch. In allen Bereichen des Lebens – von der Bevölke-
rungszunahme bis zum Wirtschaftswachstum, von der politischen Herrschaft bis
zur sozialen Ungleichheit, vom Bildungswesen bis zum kulturellen Leben, von den
überkommenen Rechtstraditionen bis zu den Institutionen des Reiches, von den
wirtschaftlichen Strukturen bis zum Erscheinungsbild der Städte, von den Reak-
tionsmustern der Öffentlichkeit bis zu den Anforderungsprofilen von Würdenträ-
gern – war ein Wandel zu spüren, der durch das unbedingte Festhalten der obersten
Standesklassen des Ancien Régimes an alten Privilegien und Machtstrukturen nur
noch an Schwungkraft gewann.
Obwohl Nikolaus’ Vater, Fürst Anton, in seiner Majoratsherrschaft von 1790 bis
1794 mit der Fortführung der barock-prunkhaften Hofhaltung und Machtreprä-
sentation – freilich an den modischen Formen des frühen Klassizismus – festge-
halten hatte, um durch die unbedingte Unveränderbarkeit der ständischen Gesell-
schaft eine Kontinuität des Systems zu evozieren, so wusste der ihm nachfolgende
Nikolaus, dass innerhalb des gesamtstaatlichen und gesellschaftlichen Transfor-
mationsprozesses Reformen und Innovationen entwickelt werden mussten, um
Rang, Würde und Stand zu erhalten. Doch nicht intensiv genug setzte sich Niko-
laus hierbei mit Fachleuten auseinander, um einen ausgereiften Plan zu entwickeln.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur