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GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG128 10 In Wien jubelte man nach der Selbstkrönung
Napoléons sogar, dass mit der Wiedereinführung
der Monarchie in Frankreich das militärisch
unterlegene Österreich im Endeffekt gesiegt
habe (vgl. Press 1988, S. 1).
11 Vgl. Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
18. März 1803, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 918.
12 Vgl. Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
22. (März ?) 1803, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 920.
13 Vgl. Hinweis auf Aufenthalt Nikolaus’ II. in Bor-
deaux am 9. Mai 1803, in : EPA, CD 1803/1355,
4. Juni 1803.
14 Reichardt 1805, S. 4.
15 Wohl 1803 war Nikolaus II. im Salon der Mdme.
Récamier (vgl. Garde 1914, Bd. 2, S.
243f.).
16 So hatten z. B. nach der Aufführung seiner
Schöpfung im Théâtre des arts im Dezember 1800
die Musiker des Hauses eine Huldigungsme-
daille für Haydn beauftragt, die dem Esterházy-
Kapellmeister nach Wien übersandt wurde
(heute im Nationalmuseum Budapest, 92/884/1,
2). 1805 folgte dann das Huldigungsschreiben
des Pariser Conservatoire (Széchenyi-National-
bibliothek Budapest, Sig. Han 1.6, ehemalige
Sammlung Esterházy).
17 Reichardt 1805, S. 94.
18 Réunion des musées nationaux des châteaux de
Versailles et de Trianon, 4838, LP3121.
des charismatischen Konsuls fasziniert, der keine Kosten scheute, seinem Ruhm
Denkmäler zu setzen. Der sendungsbewusste Fürst Nikolaus war, wie ganz Europa,
von der Macht und Innovationskraft Napoléons, der ungefähr gleichaltrig war, ge-
fangen genommen. Der standesbewusste Nikolaus akzeptierte den Emporkömm-
ling Napoléon, da er den antiadeligen Schwung der Revolution gebrochen hatte10.
Der kunstbeflissene Nikolaus war vom großstädtischen und pulsierenden Paris und
der Aufbruchsstimmung mitgerissen, denn hier lebte der Glanz des französischen
Königreiches in neuen Formen wieder auf, die erheblichen Einfluss auf die euro-
päische Städtebaukunst und Architektur nahmen. Paris war 1802 neuer Nabel der
Welt. Hier durfte Nikolaus nicht fehlen !
Fieberhaft besuchte er im Februar und März 1803 dann auch die Orte der
wieder belebten höfischen Kultur Frankreichs. In seinen Briefen bezeichnete er sich
als einen wandernden Tapezierergesellen (»garceon tapisier«) auf dem Weg nach
St. Cloud11, um Ideen für seine Bau- und Gestaltungsprojekte zu sammeln. Hier
hatte gerade das neue Theater eröffnet, mit dem Napoléon an die Musiktradition
Ludwigs XVI. anknüpfte. In Versailles bestaunten Nikolaus und seine Gefährten den
beginnenden Wiederaufbau des während der Revolution geplünderten Prachtbaus,
bei dem Napoléon zur Eile drängte – zur Not solle es doppelt so teuer werden, wenn
es nur doppelt so schnell gehe, soll er angewiesen haben. Dieses Tempo faszinierte
den ungeduldigen Nikolaus, der seinen Weg auch zum ehemaligen Privatsitz Lud-
wigs XIV. in Rambouillet lenkte12, wo nun der neue Herrscher Frankreichs wohnte.
Von hier aus ging die Reise des Fürsten den ganzen April über quer durch das
Land, vorüber an Orléans, Tours, Poitiers nach Bordeaux13.
1.2 Im Salon- und Luxusleben
Neben den neuen alten königlichen Schlössern, die Nikolaus besichtigte, nahm er
auch am neuen alten gesellschaftlichen Leben von Paris teil, das sich zu Beginn des
Jahres 1803 ebenso im Umbruch befand. Auch wenn Mitglieder der ehemaligen
Oberschicht des Landes noch an so mancher Straßenecke als Bettler lungerten,
kehrte die alte Hofgesellschaft zurück. Sie betäubte die schale Erinnerung an die
Revolution und ihre Gräuel durch die »angenehmsten Genüsse … und die allseiti-
gen Zerstreuungen von Paris«14 in Theatern, Opern, auf Bällen und in den Salons,
wie dem der geistreichen Madame de Staël oder der tonangebenden Juliette Réca-
mier (1777–1849), wo auch Nikolaus in den Wintertagen 1803 gesehen wurde15.
Hier glänzte Fürst Nikolaus nicht nur als reichster Magnat Ungarns, sondern auch
als Dienstherr Joseph Haydns, welcher in Paris Geniestatus genoss16. In den Salons
und bei den prächtigen Soireen unterhielt man sich über englische und indische
Luxusgüter, über italienische Gemälde, Antiken, Porzellane und kostbare Gewehre,
»insoweit sie zum Putz gehören«17.
Auch Fürst Nikolaus und sein Reisetross beteiligten sich an den neuesten Mo-
den des teuren Paris und besuchten das Atelier des gerade aufsteigenden Mode-
malers François-Pascal-Simon Gérard (1770–1837), der besonders das weibliche
Umfeld Napoléons porträtierte. Hier durfte auch Nikolaus nicht nachstehen, wes-
halb im Frühjahr 1803 bei Gérard die Vorzeichnung zum ganzfigurigen Porträt
seiner Schwester Leopoldine Grassalkovics entstand18. Damit hatte der Fürst nicht
nur den teuersten und gefragtesten Maler der Stadt engagiert – wie er es in Rom
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur