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GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG232
sammlungen393 mit ungeheurem finanziellen Einsatz. Die Gärten und Orangerien
wurden so neben dem Schloss zur wichtigsten Attraktion der Eisenstädter Kultur-
landschaft. Man schrieb, dass sie »in dem österreichischen Kaiserstaate wahrschein-
lich die einzigen in ihrer Art«394 seien.
In acht großen Pflanzenhäusern wuchsen die unterschiedlichsten Gewächse aus
aller Welt, die hier systematisch geordnet waren und von der professionellen Sam-
melweise Nikolaus’ bzw. seines bevollmächtigten Gärtners zeugten. Die insgesamt ca.
60.000 Pflanzen ließen den Fürsten als »Sachkenner mit Hochgefühl der Verwunde-
rung«395 erscheinen und dürften neben der Kunstsammlung sein wichtigstes Sam-
melgebiet gewesen sein, das gleichsam die Brücke zur Kulturlandschaft und den bild-
sam-patriotischen Initiativen schlug. Viele der Pflanzen wurden im Sommer auch zur
Verschönerung des Gartens mitsamt dem Topf in den Gartenboden gesetzt, was für
einige Bewunderung beim jungen Erzherzog Franz Karl sorgte, der die Treibereien
besuchte396. »Hier lohnt die bezwungene Natur die wachsame Kunst mit so glückli-
chem Successe«397, rühmt eine Reisebeschreibung die Fenstergänge der Treibhäuser
von Eisenstadt, die zu einem »Seminarium« bestimmt wurden, also Lehrgärten waren.
Hinzu kamen der Küchengarten am Oberberg und eine Art botanische An-
lage, die weiter ausgebaute pomologische Baumsammlung in St. Georgen mit den
Fruchtbäumen aus Frankreich398, die der Fürst seinen Gästen gerne zeigte. Insge-
samt waren in der Obstbaumschule 35.000 Exemplare und auf der Weinplantage
771 Arten399 ausgestellt. Ziel Nikolaus’ dürfte eine Baumsammlung nach dem Vor-
bild des »Obstbaumwaldes« in Eisgrub gewesen sein, wo schon 1804 etwa 400.000
Stämme standen und von dort in die Kulturlandschaft ausgepflanzt wurden. Auch
die Obstbaumschulen dienten dem aufklärerischen »nützlichen und angenehmen
Geschäft«400 der Eisenstädter Kulturlandschaft, denn sie brachten in zunehmen-
dem Maße auch Einnahmen.
Neben dem Ausbau der Pflanzensammlungen und Lehrgärten stürzte sich der
Fürst mit alter Energie in den Weiterbau in Eisenstadt. Schon im Februar 1810 war 393 Vgl. umfassende Analyse : Riedl-Dorn 2001.
394 Sartori 1812, S. 123f.
395 Franz Karl 1819, S.
4.
396 Vgl. Franz Karl 1819, S. 4.
397 Sartori 1812, S. 125.
398 Vgl. Nikolaus II. an Henriette Zielinska,
14. Mai 1808, in : MOL, FAE, P134, E,
Nr. 842.
399 Vgl. Jenny 1835, 63.
400 Christ 1791/92, S. V.
Santa Cecilia an der Orgel, Federzeichnung von
Daniele Crespi (1597/1600–1630) , 1620–30. Museum
der Schönen Künste, Budapest, Grafische Sammlung
(vormals Sammlung Esterházy).
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur