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GESTALTEN WIE EIN
KÖNIG256
léons, der die Kronen Europas an seine Marionetten vergab, um seinen Hegemo-
nieanspruch durchzusetzen.
Als Kunst- und Wissenschaftsförderer nahm Nikolaus II. bei den vielfältigen
kulturellen Projekten im Hinblick auf Qualität und Größe die Stellung so man-
ches Regenten in Europa ein. Für die ungeheure Umgestaltung seiner Herrschaften
Eisenstadt und Pottendorf zu einer Kulturlandschaft und den Ausbau seiner Hof-
haltung zum Musenhof bediente sich der Fürst aufgeklärter Ideen, Konzepte und
eines idealistischen Personenkreises des geistigen Fortschrittes in den deutschen
Musterländern von Anhalt-Dessau und Sachsen-Weimar. Er schuf Bildungsein-
richtungen und inszenierte sich damit als menschenfreundlicher Gutsherr, der auf
die geänderten Anforderungen zu reagieren schien, jedoch niemals die fürstliche
Allmacht aufzugeben bereit war. Gestalterisch nutzte Nikolaus II. die neuesten und
radikalsten Architekturformen seiner Zeit, den französischen Revolutionsklassizis-
mus, den er konsequent auf alle Bereiche des Gestaltens anwandte. Stringent ver-
folgte er seinen Geschmack auch im englischen Garten, den er nicht durch pseudo-
bildsame Eklektizismen verwässerte. Seine Sammlungen von Gemälden, Grafiken,
Pflanzen, Büchern und deren wissenschaftliche Aufarbeitung verfolgten die mo-
derne Richtung der musealen Vollständigkeit und Präsentation sowie die Lehre der
klassizistischen Geschmacksbildung, die sich konsequent neuen Moden verschloss.
Er öffnete 1812 seinen Garten für die Öffentlichkeit und richtete im gleichen Jahr
die Laxenburger Galerie mit Katalog und Beschriftungen als moderne Publikums-
galerie ein. Seine Aktivitäten in Musik und Theater zogen staunend halb Europa
an den Hof und hätten fast so Berühmtheiten wie Iffland, Goethe und Cherubini
nach Wien gelockt.
In seinem Inneren blieb der Fürst der Getriebene, Ungeduldige, Überproduk-
tive, stets den Superlativen nachjagend, um nur ja nicht innehalten und sich der
gefürchteten inneren Leere stellen zu müssen. Sein daraus resultierender men-
schenverachtender Umgang mit emotionalen Ressourcen und Charakteren führten
zu Enttäuschung und Frustration. Privat hatte sich der Fürst aus der ständischen
Tradition und dem rein dynastisch gedachten Eheleben verabschiedet und aus dem
diskret gelebten aristokratisch-barocken Mätressentum eine offene Liebes- und
Lebensbeziehung zu kultivieren begonnen. Mit seiner »neuen« Familie trat er offen
auf und provozierte den gesellschaftlichen und kaiserlichen Unmut, da dies den
bürgerlichen Moralvorstellungen, aber auch den Vorgaben des höfischen Lebens
widersprach.
Die Zeitumstände der Kriegsära nach der Französischen Revolution hatten
eine ungeheure, aufgestaute innere Entwicklungsdynamik freigesetzt. Infolge der
in Frankreich gewandelten Rechtsverhältnisse, Sozialstrukturen und des Wirt-
schaftslebens fand das Heilige Römische Reich sein formales Ende. Es hatten sich
Herausforderungen ergeben, die bis auf die Reformationszeit einen bisher nie da
gewesenen qualitativen Entwicklungsschub mit sich brachten. Die ständische Ge-
sellschaft der deutschen und österreichischen Lande und damit auch der Herrschaft
des Großgrundbesitzers Nikolaus II. war in eine »defensive Modernisierung« al-
ler Bereiche des ökonomischen Handelns, humanistisch-künstlerischen Gestaltens,
sozialen Zusammenlebens, politischen Agierens und privaten Lebens gezwun-
gen worden. Wie die souveränen Herrscher Mitteleuropas versuchte der Fürst im
Rahmen seiner Möglichkeiten, auf diesen Wandel teils radikaler, teils punktueller
Modernisierung zu reagieren und ihn sich zunutze zu machen, um damit seine
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur