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RÜCKZUG IN DIE
KUNST264 33 Nikolaus II. an Johann Karner, Nervi, 25. Februar
1815, in : MOL, FAE, P163, Fasz. 51, Nr.
1187.
34 Vgl. Bernsdorff 1896, S. 154.
35 Garde 1914, S. 254.
36 Mit der Protektion Metternichs hatte Paul (III.)
Anton noch mit dem nach dem Russlandfeldzug
geschwächten Napoléon um den Frieden ver-
handelt (Februar 1814), später Kaiserin Marie
Louise zusammen mit Wenzel Liechtenstein
aus Orleans abgeholt und nach Rambouillet
begleitet, wo sie mit ihrem Vater Kaiser Franz
zusammentraf, als die alliierten Truppen in Paris
einmarschierten.
37 Außereheliche Liebesgeschichten dürften beim
Sohn genauso an der Tagesordnung gewesen
sein. 1811 wurde berichtet, dass Paul (III.)
Anton als Gesandter in Dresden »durch nichts
bekannt ist, als durch Galanteriegeschichten«
und er daher »die populi ganz gegen sich« (Eig-
nung Paul III. Anton als Diplomat, 8. Februar
1813, in : ÖStA, AVA, Polizeihofstelle 1813/790)
habe.
38 Therese verliebte sich in den jugendlichen
Ulanenoffizier Karl Franz Anton Liechtenstein
(1790–1865) und wurde – augenscheinlich nicht
von ihrem Gatten – schwanger. Ihre Mutter aus
Regensburg kam und »soutiert ihre Tochter ; es
ist, wie man zu sagen pflegt, der Teufel los in
der Familie« (Rapport der Polizeihofstelle, 21.
September 1814, in : Fournier 1913, S. 123).
Das Kind, Theresia, wurde am 12. Juli 1815 im
Mariahilfer Palais geboren (gest.1894), was der
Wunsch des vermeintlichen Großvaters Niko-
laus II. war, der in Italien genau über die Nieder-
kunft seiner Schwiegertochter informiert werden
wollte (vgl. Nikolaus II. an Johann Karner, Nervi,
doch wesentlich Neues in Politik und Gesellschaft erwartete er nicht : »Die nämli-
che Oper, verschiedene Sänger«33 spitzte er zu und deutete damit den bemerkbaren
Generationenwechsel im alten Ringen um Machtpositionen und Reiche an. Als
epochemachend betrachtete der ewige Skeptiker Nikolaus den Kongress jedenfalls
nicht und erwartete auch im Jahr 1815 keine Zeitenwende für Europa.
Einer dieser von Nikolaus so ironisierten »neuen Sänger« war sein Sohn Erb-
prinz Paul Anton, der im Rahmen des Wiener Kongresses seine steile Karriere
als Diplomat noch beschleunigen konnte. Anstelle seines Vaters zog der neunund-
zwanzigjährige Erbprinz in der prächtigen Galauniform seiner Väter in Wien ein.
Die Esterházy-Juwelen glitzerten während der Parade in Anwesenheit von Preu-
ßens König Friedrich Wilhelm III. und Russlands Zar Alexander I. in gewohnter
Pracht, sodass viele fälschlich dachten, es wäre Nikolaus II. selbst34.
Im Gegensatz zum Vater wurde Paul Anton allerdings von Zeitgenossen für
seine »unveränderliche Mäßigung und eine Geradheit der Ideen« gelobt. Die öf-
fentliche Meinung idealisierte den Erbprinzen und seine Eigenschaften, »welche
nur einem edlen Herzen und einem bedeutenden Geiste angehören. Er ist einer von
den Männern, welche bei den jüngsten Negoziationen am meisten zur Aufrechter-
haltung der Ruhe in Europa beigetragen haben.«35 Dieses Bild eines besonnen und
moralisch handelnden Fürsten gefiel dem bürgerlichen Wiener Publikum besser als
der prachtversessene und ausschweifende Vater, dem eine diplomatische Karriere
nie gelungen war36. Gegenüber diesem öffentlichen Idealbild war der Prinz beim
Feiern, Geldausgeben und Repräsentieren jedoch ganz nach dem Vater geraten37
und sorgte, ebenso wie seine Frau, Erbprinzessin Therese, wegen seines losen Le-
benswandels für Furore38. Doch beide waren jung und schön und galten dem Pu-
blikum als »neuer Stern am Wiener Firmament«39. Potenzielle Fehltritte wurden
also verziehen. Beide leisteten einen wichtigen Beitrag zur frivolen Stimmung des
Kongresses, was als altbewährtes Mittel der Diplomatie galt, die Verhandlungsat-
mosphäre zu lockern und die diplomatischen Vereinbarungen in konzilianter At-
mosphäre vorzubereiten40. Schließlich wurde der Erbprinz sogar auf ausdrücklichen
Wunsch des Prinzregenten von England als Botschafter Österreichs nach London
bestellt.
Auch der Rest der Familie besetzte auf dem Kongress in Wien gesellschaftliche
Schlüsselrollen und sonnte sich im Glanz des Hauses, den Nikolaus II. so erfolg-
reich inszeniert und evoziert hatte. So wurde Prinzessin Leopoldine, inzwischen
Mutter zweier Töchter, von Zar Alexander umworben41. Und auch die sich von
ihrem Gatten erfolgreich emanzipierende Fürstin Maria Hermenegilde wurde für
»originelle, lebensfrohe Feste der seltsamsten Art«42 berühmt. Im Majoratspalais
in der Wallnerstraße kamen auf zahlreichen Veranstaltungen Diplomaten, Könige
und die Aristokratie zusammen43. In den Salons des Hauses fanden entscheidende
politische Vorgespräche statt, und fast schien es, als ob die Bälle, Bankette, Jagden,
das Feiern des Sieges über Napoléon und die einsetzende Restauration nahtlos an
das Ancien Régime anschlössen, als hätte es die Ideen der Französischen Revolu-
tion niemals gegeben.
Auf fröhlichen Landpartien besuchten die Kongressteilnehmer auch die Ester-
házy-Besitzungen um Wien. So Forchtenstein, wo die Zeughäuser und Waffen-
sammlungen für die Gäste museal arrangiert wurden44 und z. B. Prinz Philipp von
Hessen-Homburg (1776–1846) staunend die Schatzkammer besuchte45. Preußen-
könig Friedrich Wilhelm III. reiste im Herbst 1814 von Wimpassing, dem Tor zur Erbprinz Paul Anton Esterházy, Stahlstich von Jakob
Rauschenfels von Steinberg (1779–1841), nach Fr.
Lieber, um 1820. Esterházy Privatstiftung, Schloss
Eisenstadt, Grafische Sammlung.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur