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RÜCKZUG IN DIE
KUNST274 85 Vgl. Brief Thorvaldsens an Nikolaus II., Rom,
21. Januar 1817, in : Thorvaldsens Briefarchiv,
Kopenhagen, Mappe 28, 1817, Nr. 126 und Ant-
wort Nikolaus’ II., Neapel, 26. Januar 1817, in :
Thorvaldsens Briefarchiv, Kopenhagen, Mappe
5, 1817, Nr. 56. Nikolaus muss also schon im
Dezember 1816 während seines Romaufenthal-
tes bei Thorvaldsen die Skulptur bestellt haben.
Sicher war es so kein Zufall, dass die Bacchan-
tin die Züge der jungen Ida Bruns-Bombelles
(1792–1856) trug, mit deren Mutter Nikolaus
1795 in der Villa Malta zusammengetroffen war.
Der Gips wurde am 5. Juli 1817 gegossen. Ida
erregte schon 1805 allgemeine Begeisterung in
der römischen Künstlergemeinde und faszinierte
mit ihren Attitüden im Salon der Madame de
Staël.
86 Schadow hatte die Spinnerin im März 1816
modelliert (vgl. Eckardt 2000, S.
32), da Fried-
rich von Hagen im Dezember 1816 festhielt,
dass Nikolaus II. gerade die Skulptur bestellt
habe (vgl. Hagen, 13. Dezember 1816, zit. nach :
Eckardt 2000, S. 32, WVZ37.1, S.
91–93, S. 93).
87 Nikolaus II. an Johann Karner, Neapel, 28.
Februar 1817, in : MOL, FAE, P163, Fasz. 55,
Nr. 1267 (Nr. 7).
88 Metternich und Hardenberg hatten in der Deut-
schen Bundesakte die Stellung des Adels auf den
Landtagen zum Grundbestandteil des neuen
Systems gemacht und damit die gesellschaftli-
che und verfassungsmäßige Stellung des Adels
eigentlich gestärkt, wenngleich dies natürlich den
steigenden Einfluss bürgerlicher Kräfte nicht
unterminieren konnte (vgl. Press 1988, S. 6).
Gipsmodell des Siegenden Amor auf, woraufhin er eine Marmorausführung dessel-
ben und dazu noch eine Tanzende Bacchantin bestellte85.
In denselben Tagen war der Fürst auch bei Ridolfo Schadow (1786–1822), der
bei Thorvaldsen gearbeitet hatte, und bestellte das erste Exemplar der Skulptur
der Spinnerin, eines empfindsam-wirklichkeitsnahen Mädchenbildnisses, das in
der Folge achtmal wiederholt wurde86. Sie hob sich künstlerisch von den idealen
Götterschönheiten Thorvaldsens durch ihre romantische Wirklichkeitsnähe ab und
sollte den europäischen Ruhm Ridolfo Schadows als Bildhauer begründen.
Mit seinen Bestellungen 1816 hatte Nikolaus also zum Canova-Werk gleich vier
weitere Skulpturen beauftragt, die für das aufzubauende Museum im Mariahilfer
Palais bestimmt waren und nach Hirts Museumstheorie mit ihrem antiken Schön-
heitsideal perfekte Ergänzungen der alten Meister waren. Enthusiastisch hatte da-
mit Nikolaus den Grundstein zu seiner Skulpturensammlung gelegt.
Die Sammlerpassion und Italienbegeisterung konnten jedoch die gesellschaft-
lichen Veränderungen nicht überdecken. »Unsere goldenen Zeiten nehmen ein
garstiges Außehen«, wähnte er plötzlich in diffuser Angst, denn die von ihm beob-
achtete Teuerung in Österreich und Ungarn drohte den Volkszorn anzufachen. Die
bürgerlich-demokratischen Ansätze in der sich gerade formierenden Frankfurter
Bürgerversammlung zum Deutschen Bund kritisierte er als »Frankfurther Poße«,
als unkluges Zugeständnis an die bürgerliche Forderung nach Konstitutionalismus.
»Es ist gar nicht abzuschätzen, wie aus diese Labyrinth zu kommen sey«87, befürch-
tete er ob des bürgerlichen Einflusses88.
Und so setzte er seinen Rückzugskurs impulsiv fort und kaufte im Frühjahr
1817, fern der besorgniserregenden heimatlichen Entwicklungen, am Golf von Ne- Gipsmodell des Cupid Triumphant, Marmorskulptur
von Berthel Thorvaldsen (1777–1844), 1814. Im Winter
1816/17 wurde die Marmorausführung von Nikolaus
II. bestellt, Original heute Wien-Museum (Rathaus
der Stadt Wien). Thorvaldsen Museum, Kopenhagen.
Gipsmodell der Bacchantin mit den Zügen der
Ida Brun-Bombelles, Marmorskulptur von Berthel
Thorvaldsen (1777–1844), 1817. Im Winter 1816/17
wurde die Marmorausführung von Nikolaus II.
bestellt, Original heute verschollen. Thorvaldsen
Museum, Nysø.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur