Page - 372 - in Nikolaus II. Esterházy und die Kunst - Biografie eines manischen Sammlers
Image of the Page - 372 -
Text of the Page - 372 -
FAZIT372
zösischen Revolution, als der Mut zum eigenen Verstand Grundforderung wurde,
nichts ändern.
Denn um dem strukturellen und funktionalen Wandel des Adels am Übergang
vom Ancien Régime zur Moderne begegnen zu können, hätte der jugendliche Fürst
alle kindheitlichen Prägungen überwinden und sich kritisch mit überlieferten Tra-
ditionen und Standesprivilegien auseinandersetzen müssen. Doch immer wieder
aufkommende Hoffnung auf Herstellung der alten Ordnung, unbändiger Standes-
dünkel und die dynastische Idee verhinderten dies.
Die Kunst war Nikolaus’ Vorfahren und auch ihm selbst fast kognitives Medium
und Mittel zum erfolgreichen gesellschaftlichen Aufstieg. Ihre stilistische Anpas-
sung erschien als bewusste Veränderungsstrategie vor dem Hintergrund der Um-
wälzungen im europäischen Ordnungsgefüge nach 1789.
Nikolaus’ lebenslange Getriebenheit und unbestimmte Angst vor diesem Epo-
chenwandel brachten um 1800 Sammlungen und Kunstwerke ewigen Werts und
höchster Qualität hervor. Seinen sozialisierten Willen zur Macht brachte er mit
Malerei, Grafik, Büchern, Naturalien, Theater, Musik, Hofhaltungen, Bau- und
Gartenkunst zum Ausdruck und wandelte ihn angepasst, zielbewusst und zuwei-
len avantgardistisch. Denn die bürgerlichen Experten des Fürsten erneuerten die
aristokratische Sammelweise und sorgten für Qualität und Innovation. Damit blieb
auch ihm die Kunst effektives und wichtigstes Mittel und Medium im strategi-
schen Aufstiegs- und Überlebenskampf in der Endzeitstimmung des europäischen
Hochadels.
Als Mäzen, also Förderer, Auftraggeber, Patron, Bauherr, war Nikolaus immer
der reinen Bedeutung dieses Wortes (Maecenas : zum Zwecke literarischer Propa-
ganda) verhaftet, da Kunst immer auch Ausdruck seiner politischen und wirtschaft-
lichen Machtstellung bzw. der demonstrativen Machtdarstellung war.
Ab dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts jedoch wurde auch der Esterházy-
Fürst hierin zusehends von der neuen wirtschaftlichen Elite der Bankiers und In-
dustriellen, den Vereinen, Stiftungen und nationalen Verbänden abgelöst. Der nicht
aufzuhaltende aristokratische Bedeutungsverlust fand schließlich in den politischen
Umstürzen von 1848 und 1918 weitere Epochendaten des adeligen Abschiedes von
der einstigen Macht. Den sich jetzt bildenden bürgerlichen Nationalstaaten der
Moderne hinterließen Fürst Nikolaus II. Esterházy und sein Stand ein wertvol-
les kulturelles Erbe. Dieses prägt bis heute Europa und kann in seiner bildsamen
Schönheit und sozialgeschichtlichen Aussagequalität den Blick auf das unvermin-
dert nötige Streben nach der Freiheit des Willens und des Geistes schärfen.
Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
Biografie eines manischen Sammlers
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Nikolaus II. Esterházy und die Kunst
- Subtitle
- Biografie eines manischen Sammlers
- Author
- Stefan Körner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 978-3-205-78922-2
- Size
- 23.0 x 28.0 cm
- Pages
- 404
- Category
- Kunst und Kultur