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Tagebuch 1937/2
2. Büchel
18.V.1937
Der gestrige Nachmittag noch immer pfingstlich, viel
schönes Wetter
– endlich ! Erst im Garten Siesta, ich
auf einer aufgeblasenen Gummimatratze. Dann mit
dem Wagen durchs „Haarlemer Meer“ (vor bald 3
Generationen schon ausgepoldert) mit einem neogo-
tischen Pumpwerk am Rande, das d. Entwässerung
besorgt hat u. einem Kanal ringsum, der viel höher
liegt als d. „Meer“ selbst. Das ist nun wieder sehr
merkwürdig. Besonders, wenn man Segelboote weit
weg auf dem Kanal fahren sieht hoch oben ! u. man
selbst auf d. tiefergelegenen Poldergrund steht
…1
Dann Gärtnerorte entlang, die Häuschen eine
Gehstunde lang einen Kanal entlang, jedes mit ei-
nem aufziehbaren Steg über den Kanal mit d. ande-
ren Ufer verbunden. Schließlich ein Spaziergang in
Nordwijck, ich glaub demselben Seebad, wo ich sei-
nerzeit (1920) mit Anderl d. Pfingsttage als Gäste
Carlas u. Minnys verlebt. Ich habe ein paar Muscheln
aufgehoben des Bückens wegen, das nach d. langen
Autofahren Bedürfnis ist.
–2
Heute war wieder ein Arbeitsmorgen : bei Lugt, d. h. mit Lugt in einem Keller-
raum d. Ackerbauministeriums (Den Haag), wo er provisor[isch] seine Blätter depo-
niert hat. Wir sahen kaum mehr an als uns anging, aber das war schon unglaublich
viel u. sehenswert. Es wird uns bißchen Angst vor dieser Arbeit, die wir auf uns ge-
nommen haben. Das Technische allein ist ein Problem
…3
19. [Mai]
Das Mauritshuis
– das wir zwischen Lugt u. d. neuen Institut einschalteten
– ist noch
immer allererste Klasse. Die großen Eindrücke – Rembrandt ! – wirken noch wie
ehemals, sie sind auf tiefste Menschlichkeit basiert, die wohl ein Leben lang unverän-
derlich oder kaum messbar veränderlich bleibt. Die kleinen Meister geben ihr bestes
u. das ist so viel, daß es ihnen an weniger hohen Stellen – ich meine, in anderen Mu-
seen oder gar im Handel
– zu höheren Namen verholfen hatte
…4
Im ehemal[igen] Städt[ischen] Mus[eum] ist jetzt d. neue Instit[ut] eingerich-
tet ; Schneider vom Mauritshuis ist d. Leiter, der aus eigener Tasche Dr Gerson
(Koninck-Buch), einen deutsch[en] Emigranten zahlt. Es ist eine Witt-Library für
Holländer, verbunden mit einem Bilderkatal[og] in weitestem Sinn. Kern d. Insti-
Abb. 16 : Carla – Jonkvrouwe Caroline Henriëtte de
Jonge, 1960er-Jahre.
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien