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Tagebuch 1937/2
4. [Juni]
Es ist ¼ 5, wir sitzen bei C[a]pt[ain] Langton Douglas, der uns bestellt hat u. nicht
zuhaus ist. (Ich hatte es mir gedacht ; d. Mann sah aus, als würde er Rendez-vous
vergessen.) Wir waren vormittag „aufarbeiten“ im Vict[oria] + Alb[ert] Museum u.
konnten in d. Bibl[iothek] auch eine Z[eichnung] von gestern in Windsor als Mo-
razzone fix u. festlegen. Das war nett. Noch netter, daß Maclagan uns versprach, alle
Photos kostenlos machen zu lassen ; das erspart uns viel Arbeit u. Geld. Nach kurzem
Aufenthalt bei Colnaghi, wo wir a.) den dort unlängst vergessenen Shawl abholten,
b.) d. Z[eichnung], die dort als Bassano gilt, als jenes dem Murillo zugeschr[iebene]
Blatt, das von Legote ist, d. B[yam] Shaw identifiz[ieren] konnten). Lunch in einer
Snack Bar, wo d. Luft nicht so schlecht war wie sonst, zu Witt, wo wir wirklich gute
Fortschritte bei d. Landschaftsz[eichnung]en von T[intoretto] machten. Leider kann
auch dort nichts bis zu Ende an Ort u. Stelle durchgearbeitet werden, da d. Holz-
schnitte u. Stiche fehlen ! Wir fanden noch eine dritte Petr[us] Mart[yr] Z[eichnung]
in d. Art der Fr[öhlich]-B[um]schen in Bayonne, unzweifelhaft auf demselben Sitz
gearbeitet wie diese, deren Kenntnis vielleicht sogar diese unerschütterliche For-
scherin gewarnt hätte. Dann langsam zu C[a]pt[ain] Douglas – (Ich fahre auf ei-
nem Streckstuhl im Hyde Park eine Stunde später fort) –, der doch nicht vergessen
hatte, sondern gleich gekommen ist. Er zeigte uns ein Musikerportr[ät], das noch nie
veröffentl[icht] ist u. aus d. Besitz jener Familie stammt (ich hab d. Namen vergessen),
d. Shakespeare einmal geklagt hat ([…]). Er sitzt nach r[echts] schaut zum Beschauer
heraus u. hält in d. l[inken] Hand eine aufgeschl[a]g[ene] Notenschrift. Sehr „Gior-
gionesk“ („Junger Tizian, Giorg[ione], Cariani“ wurden genannt). Er zeigte noch an-
deres, wurde immer liebenswürdiger, schenkte uns ein Buch, eine Photo[graphie] des
Musikerportr[ät]s, eine Envelópe für beides, begleitete uns immer liebenswürdiger d.
Stiege hinunter u. – bis vor die Türe hinaus. So einen liebenswürdigen aber entschie-
denen Abschluß eines Besuches haben wir beide noch nie erlebt. Wir haben direkt
Spaß damit gehabt
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Gerade war der Mann da u. hat […] pro Streckstuhl eingehoben. Er klingelte wie
beim Bus-Ticket nehmen. Ich hab nicht gewußt, daß man f. d. Streckstühle zahlen
müsse u. verstehe jetzt, warum d. Leute sich auf d. Bänken drängen oder im Grase
ihr Baucherl verkühlen. Das Buch, das C[a]pt[ain] Douglas uns schenkte, ist der von
ihm besorgte Katalog d. S[amm]l[un]g Lampson Locker ; c. 20 Bilder, die d. Besit-
zer – inzwischen – im ganzen verkaufen möchten. Es sind ganz nette Sachen dabei,
eigentlich im ganzen doch nur eine Sekundärsammlung.
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6. [Juni] Sonntag.
(Hans ist gerade nach Kings Cross um die Ivo abzuholen.) Wir haben gestern a rather
dull morning im British Mus[eum] verbracht (nach einem kurzen Step in bei Burgs
im Thackeray Hôtel) ; es ist nicht anders, wenn man drei Bestände das zweitemal
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien