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Tagebuch 1937/2
Eindruck – da wäre es mir lieber gewesen, wir hätten nicht das Obst auf Majolika
gegessen u. Clark hätte die beiden Verpflichtungen, die er übernommen hatte, nicht
vergessen. So aber hat er sie vergessen u. wir kamen nicht nach Buckingham, wie es
verabredet war u. nicht zu Lansdowne, wie er sich angetragen hatte. Ich hatte es ge-
ahnt, ja ich hatte es Basil Gray voraus gesagt
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So gingen wir also mit Swarzenski fort u. verabredeten, ihm in sein Hôtel zu
folgen, um nach langer Zeit wieder mit ihm zu plaudern ; er wollte uns auch ein
Giorgione-Bild zeigen, das er vor kurzem fürs Staedel erworben. Es war eine Ro-
mulus u. Remus-Geschichte, aber ohne Wölfin, sondern mit Lupa
– der „Hure“
– als
Gattin d. Bauern u. Ziehmutter d. Kinder. Eine Tafel sehr zart, kaum mehr als eine
Zeichn[ung], eine Untermalung, aber reizvoll. Wenn nicht Giorgione, so doch ihm
nahe stehend. Von Frankfurt hat er nicht viel erzählt, aber das wenige war schon
schlimm genug. Geheimnisvolle Andeutungen über Schilling, der „noch“ da ist,
aber (schon) Arbeitsurlaub hat. Das hat er auch erzählt, daß Posse geheiratet hat (es
scheint, seine Haushälterin) und daß Zimmermann zwei ital[ienische] wichtige Bil-
der an Duveen abgegeben habe, um d. Holbein von Goldman † hereinzubekommen
(nach Swarzenski politische Liebäugelei)
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Dann nachhaus, wo die von Kris nach Wien mitgenommenen Aufnahmen von
Trödhan eingelangt waren u. von mir sogleich beschriftet wurden. Jetzt noch den
heutigen Tag. Hans ist früh nach Cheltenham gefahren u. hat mich mit d. Woh-
nungsschlüssel u. mit reichlichem Geld ausgestattet, damit ich für Burgl d. Man-
tel kaufen könne, zurückgelassen. Ich fühlte mich aber so shopping-lustig, daß
ich gleich in d. früh mir ein Notizbuch erwarb (1 penny, sehr preiswert). Bei Witt
konnte ich es gut brauchen, es ist schon sehr voll ! Bei Witt wird mir immer die Zeit
zu kurz. Man kommt ja nicht oft zu Lösungen, da sie ja nur Material bringen, aber
keine Sicherheit dazu
– aber Anregungen sind ohne Ende ! Ich blieb wie immer, bis
man mich hinauswarf und ging dann zu einem schon vorausgewußten Spezialisten,
wo mir gleich das erste Stück, das man mir zeigte, das entsprechende zu sein schien.
Im Printroom dann war es viel mühsamer, da mir d. Allein-Herumhantieren mit den
schweren Kartons nicht angenehm ist. Ich sprach Popham, dem ich Burgs Nic[colo]
dell’Abbate-Zeichn[ung] zeigte und Dodgson, der gerade an uns schreiben wollte,
daß es also beim Montag-Ausflug nach Gath[orne] Hardy bleibt u. er uns Mittag
um eines zum lunch erwarte. Beim Nachhauseweg schaute ich ins Thackeray Hôtel,
ohne Burgs anzutreffen und jetzt – jetzt hab ich schon gedinnert u. geschrieben u.
geschrieben. Jetzt mache ich noch d. Lugt’schen Photos fertig, bis man mich zum
Bade rufen wird. Ich habe ein winterliches Wollkleid an u. eine Decke auf d. Knien
u. freue mich trotzdem auf mein Bad, das mich hoffentlich wärmen wird. Und was
machst du jetzt, Hans ? Du liest ? du schreibst ? aber nicht an mich. Mich siehst du
ja
– morgen !58
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien