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Tagebuch 1937/3
wegnehmen u. in d. Ca’ Pesaro führen – wir haben ihn beruhigt, auf den Präzedenz-
fall d. Scuola di S[an] Rocco gewiesen
…32
Mit unserer Wohnungssuche am Tag vorher wenig einverstanden gingen wir
dann nach d. Zattere entlang u. fuhren nach Casa Frollo hinüber, das uns durch seine
Lage, seine Riesenräume u. seine ungeheuren Gärten wiederum ganz für sich ge-
wann. Da wir ja doch nicht bei Signora Ridottolo wohnen können, wollen wir es
doch einmal mit d. Casa Frollo versuchen. Wie herrlich sind diese großen Räume
der alten Palazzi ! Kaum möbliert geben sie dieses Gefühl architektonischer Weite, in
der man selbst nur pathetisch seinen Platz beziehen
kann. Man ist kein Mensch des 20. Jhs., wenn man
zu seinem intimen Leben zwischen Strümpfe aus
d. Lade fangen u. sich die Bürste holen eine Halle
durch„schreiten“ muß, in der Tintoretto die ganzen
Gäste des Canamahles unterbringt
…33
Auf d. Piazza haben wir Hendy vergeblich erwar-
tet ; ist er krank geworden ? Ist er weggereist ? Profes-
sor Gironcoli setzte sich zu uns an den Tisch. Er ist
sehr sympathisch, aber nach so viel Arbeit u. vor so
viel Arbeit immer in seinen Energien etwas herun-
tergeschraubt, seinem italien[ischen] Temperament
die Ader gelassen ; dadurch angenehm gemütlich.
Eigentlich hat das übervolle Venedig fast keine „Be-
kannte“ aufgewiesen. Beim ersten Mostra-Besuch das
Ehepaar […], Hans hat dort auch einmal den Maler
Zerritsch getroffen, in Piazza Frau Prof. Zilsel sitzen
gesehen. Das ist alles, was in diesem Büchlein noch
nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Mit unserer Sig-
norina haben wir melanchol[ische] Gespräche geführt,
da wir nicht auf ein baldiges Wiederwohnen rechnen
können
…34
Mir aber kommt es jetzt gar nicht so richtig vor, als ob wir definitiv von unserer
102-tägigen Reise heimführen, da hierher an unserem letzten Ort das nächste Wie-
derkommen gesichert ist (wie heute schon irgendetwas gesichert ist – nämlich b. e.
= bello excepto). Wofür ich der ausgezeichneten Reiseleitung meines Gefährten zu
danken habe.
Für andres auch :
W il Hause !
Schrift Hans Tietze :
Ich bestätige den richtigen Inhalt dieses Tagebuchs I–III. Nur der Schluss ist nicht
Abb. 47 : „La mostra del Tintoretto“, Palazzo
Pesaro, Venedig.
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien