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Tagebuch 1938/1
25. [Februar]
Beim Nachtmahl erzählte uns Edel, daß er eine neue Stunde habe ; daß er ferner eine
Patientin habe, von der er
– nach u. nach
– 800 fr. bekommen soll. Das ist doch wirk-
lich ein feiner Mensch, daß er uns solches erzählt
…
Billiges Kino, ein gut gespielter, aber schrecklicher Film […] neuf u. ein guter (mit
Raimu u. einer 17 jährigen Debutantin) „Gribouille“, den schon Christine empfoh-
len hat. Im Ganzen drei Stunden Film (eine Actualité dazwischen – ähnlich wie im
Olympia am Tag vorher – in der das Publik[um] über Österreich u. d. polit[ische]
Lage dort aufgeklärt wurde. Todmüde nachhaus (gegen 1 Uhr !) u. unausgeschlafen
aufgestanden. Ein guter Brief von Burgl, daß sie entschlossen ist, wegzugehen. Über-
haupt sehr lieb geschrieben. Eine Karte von Mama, ein Brief von Liesbeth. Inte-
ressant wie diese drei verschiedenen Menschen u. Alter auf d. Ereignisse in Wien
verschieden reagieren
…41
Das Print Collector’s Quarterly hat d. Tizian Graphikaufsatz mit Vergnügen über-
nommen ! Das heißt viel Geld, die zahlen gut, das können wir brauchen. Im Louvre
haben wir vormittag photogr[aphiert] u. nachmittag die Venezianer zum zweitenmal
anzuschauen begonnen. Ich auch die Florentiner weiter, während Hans noch bei d.
„Alpina“ war. Es scheint, daß sich d. Verlag genau für das interessiert, was Anderl über
Anatolien herausgeben möchte. Wir fanden einen sehr lieben Brief von ihm zuhause
vor ; er schaut sich anscheinend sehr heftig um eine Stelle um u. scheint auch etwas in
Aussicht zuhaben. Er hält es für gut überhaupt nicht nach Wien zu kommen u. denkt
auch an ein Rendez-vous in Zagreb
…42
26. [Februar]
Das war gestern ein reizender Theaterabend im Athéné. Floch hat uns [mit] Karten
versorgt (2 Orchester zu 30 fr. – also ermäßigt), ist aber selbst nicht mitgegangen,
er war zu müde u. wollte uns die billigen Sitze geben. Ich finde das von ihm rüh-
rend. Fährt durch halb Paris, um uns im Theater unterzubringen u. verzieht sich ! Es
wurde Plutus von Aristophanes in einer modernisierenden Adaption gespielt. Sehr
gut inszeniert mit wundervollen Farben, alles gedämpftes Pastell, wie auf Vasenbil-
dern bewegt. Es war der ewig gültige Rhythmus d. klassischen Originals hinter allen
Aktualitäten noch durchzuspüren. Wir trafen im Theater Hannema von R’dam, der
uns zu sich ins Haus einlud, da wir den nächsten Aufenthalt in d. Nähe d. König-
schen Z[eichnung]en selbst nehmen möchten. Wir sprachen von etwa 10 Tagen
…43
Heute kam wiederum ein Brief von Stoffel, der im wesentlichen den letzten wie-
derholt u. auf Details eingeht. Wir haben wiederum vor- u. nachmittag im Louvre
gearbeitet. Linzeler hat die Communication meines Duvetfundes bei d. Société de
l’Art francais angekündigt, er wird meinen Aufsatz in d. G[azette] d[es] B[eaux-]
A[rts] (der schon im März erscheinen soll) vorlesen. Wir haben dann Dr Burg die
beiden Blätter bei Marignane gekauft, er hat uns noch eine Fülle von Pho to gr[a-
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Erica Tietze-Conrat
Tagebücher, Volume II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
Entnommena aus FWF-E-Book-Library
- Title
- Erica Tietze-Conrat
- Subtitle
- Tagebücher
- Volume
- II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)
- Editor
- Alexandra Caruso
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79545-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 346
- Category
- Biographien