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Der Transfer einesKulturelements erfolgt aufgrundderBedĂĽrfnislage der
RezipientInnen undwird unausweichlichmodifiziert: Sobald ein Buch, eine
Theorie, eine StrömungvoneinemKulturraum ineinenanderengelangt, ver-
ändert sichmit demKontext auchdie Bedeutung. EspagneundWerner beto-
nen diesbezĂĽglich, dass die Begegnung mit einem fremden Kulturgut eine
SinnverschiebungoderFunktionsverlagerungbewirkeundsomitstetseinschöpfe-
risches Verfahren sei. Es handle sich um eine Resemantisierungsdynamik („une
dynamiquede resémantisation“17), so dass der Begriff Transferweniger imSinne
vonTransport als von Transformation zu verstehen sei. Die Transferanalyse kon-
zentriert sich inweitererFolgeaufdieBestimmungneuerBedeutungen („ladéter-
mination de sens nouveaux“18), womit sich die Kategorie der Kopie erübrigt; das
Resultat einer jeden Transposition, so weit entfernt sie auch sein möge, habe
ebensovielBerechtigungwiedasOriginal.Solcherart„vomPrimatdesOriginals“19
gelöst, dürfedieAbweichungvomursprünglichenKulturemkeinesfalls als „Fehl-
deutung“20 interpretiert werden. Durch ihr Umgehen vonHierarchisierungenun-
terscheidet sich die Kulturtransfertheorie von früherenAnsätzen der Rezeptions-,
Wirkungs- oder Einflussforschung, die in verschiedenem AusmaĂź dazu neigen,
das „HierarchieschemaderAusgangskultur zuübernehmen“und„die spezifische
LogikdesAufnahmesystems“21außerAchtzulassen.
IndiesemPunkt istdieKulturtransfertheorieamwenigstenmitderFeldtheorie
Bourdieusvereinbar,welcheansonsten„unübersehbareAnalogien“22 aufweist,da
letzterederTransfertheorie„dasModellzurAnalysederKonjunktur inderRezepti-
onskultur lieferte,diealsbestimmenderFaktor fürdieAuslösungunddasErgebnis
desTransfersherausgestelltwurde.“23ZwarräumtBourdieuein,dassausländische
Lesarten bisweilen eine Freiheit aufweisen, die inländische Lektüren entbehren,
dochdaTexte ohne ihrenKontext zirkulierten, interpretiertendieRezipientInnen
sie imSinne des Rezeptionsfeldes, ohneRĂĽcksicht auf das Produktionsfeld, was
gewaltige Missverständnisse („formidables malentendus“24) nach sich ziehe.
17 Espagne:LaNotionde transfertculturel,S. 2.
18 Espagne:LaNotiondetransfert culturel,S. 2.
19 Jurt:DaswissenschaftlicheParadigmadesKulturtransfers,S. 18.
20 Michel Espagne und Werner Greiling (Hg.): Frankreichfreunde. Mittler des französisch-
deutschen Kulturtransfers (1750–1850). (Deutsch-französische Kulturbibliothek 7.) Leipzig
1996,S. 11.
21 Jurt:DaswissenschaftlicheParadigmadesKulturtransfers,S. 22.
22 Jurt:DaswissenschaftlicheParadigmadesKulturtransfers,S. 22.
23Werner:KulturtransferundHistoirecroisée, S.33.
24 Pierre Bourdieu: Les Conditions sociales de la circulation internationale des idées. In: Actes
de la recherche en sciences sociales 2002,Nr. 145, S. 3–8, hier S. 7, 4. [Zuerst in: Romanistische
Zeitschrift fürLiteraturgeschichte/Cahiersd’HistoiredesLittératuresRomanes14(1990),Nr. 1–2.]
2 DerExistentialismusalsGegenstandderKulturtransferforschung 15
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur