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Filmpour l’après-guerre“ imApril 1944).125AlsdieRolle seinesVerlegersGaston
Gallimardwährend dieser Jahre beleuchtet wird, etwa dessen Zustimmung zur
Neugründung der Nouvelle Revue Française Ende 1940 unter der Leitung des
offen antisemitisch auftretenden Drieu La Rochelle, ergreifen unter anderem
CamusundSartreParteiundwürdigendieschwierigeGratwanderung,einerseits
nichts in Deutschland Verbotenes zu publizieren (das heißt, die ‚Liste Otto‘ zu
akzeptierenund jüdischeSchriftstellerInnenundWiderstandskämpferInnenaus
demKatalog auszuschließen), andererseits insgeheimRésistance-AutorInnen zu
unterstützen.SartrehättenacheigenerAussageniebeiGallimardveröffentlicht,
wenn ichdengeringstenVerdachthinsichtlich seinerHaltunggegenüberdenDeutschen
oderVichygehabthätte. Ichschätzedaher,dass jederVorwurf,dergegendasHausGalli-
mard vorgebracht werden würde, gleichermaßen Aragon, Paulhan, Camus, Valéry und
michselbst träfe…kurzgesagt,alleSchriftsteller,dieTeildes intellektuellenWiderstands
waren und sich von ihmhaben veröffentlichen lassen. […] Er wusste ganz genau, dass
seinHausalsTreffpunkt fürMitgliedergewisserUntergrundorganisationendiente,under
hörtenieauf,Résistance-Schriftstellernzuhelfen.126
(si j’avais eu le moindre soupçon touchant son attitude vis-à-vis des Allemands ou de
Vichy. J’estimedoncque toutblâmequi seraitporté contre lamaisonGallimardatteindrait
aumême titreAragon, Paulhan,Camus,Valéry etmoi-même…bref tous les écrivains qui
faisaientpartiede la résistance intellectuelle et qui se sont fait publierpar lui. […] Il savait
pertinemmentquesamaisonservaitde lieude rendez-vouspour lesmembresdecertaines
organisationsclandestineset iln’acesséd’aiderdesécrivainsrésistants.)127
Entgegendieser Selbstzuordnungzur intellektuellenRésistancewirdSartres Zu-
gehörigkeitunterschiedlicheingeschätzt; fürAssouline ist ereinhochrangiger li-
125 Diese Art von Publikation, so Sartre später, sei nicht allzu effektiv gewesen: „Wirwaren
nichtdaraufvorbereitet,undwirhabenunsnichtalssehrgeschickterwiesen:dieRésistanceli-
teratur hat nicht viel Gutes hervorgebracht. Aber diese Erfahrunghat uns spüren lassen,was
eineLiteraturdeskonkretenAllgemeinenseinkönnte.“ („Nousn’yétionspaspréparésetnous
ne nous sommes pasmontrés fort habiles: la littérature de résistance n’a pas produit grand-
chose debon.Mais cette expériencenous a fait pressentir ce quepourrait être une littérature
de l’universel concret.“) Jean-PaulSartre:Was ist Literatur?Hg., neuübersetzt undmit einem
Nachwort vonTraugott König. (GesammelteWerke in Einzelausgaben, Schriften zur Literatur
3.) Reinbek 1997 [1981], S. 178. (Sartre:Qu’est-ce que la littérature?, S. 229.) Als etwaswirksa-
mergiltAlbertCamus’Untergrund-Tätigkeit fürdieZeitungCombat,dem„Blattder Intellektu-
ellen,diedemKampf fürFreiheit, fürdie individuelle,nationaleundsozialeFreiheit, keinerlei
geographische oder ideologische Grenzen setzten“. Sperber: Bis man mir Scherben auf die
Augenlegt,S. 245.
126 Assouline:GastonGallimard,S.384f. [Übers.d.Verf.]
127 Assouline:GastonGallimard,S.384f.
3.2 Résistance,OpfertheseunddasÜberspringenvonLesMouches 43
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur