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Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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DassdenZuschauerInnendiedramatischeBehandlungvonSchuldundSühne dennochnichtentgeht, zeigt eineErinnerungderSchriftstellerinundSartre-Le- serin Dorothea Zeemann, die das „Stück für gescheite Leute“mit Freunden besucht: „DieFliegen“vonSartre. EinStückmit Zeitbezug.NachFrankreichsBesetzungdurchdie Deutschen. Es soll betroffenmachen, und das tut es. Aber ich findemichnicht zurecht. Ein scheußlicher Jupiter spielt den Gott, der die Taten der Menschen beeinflußt und lenkt.EinGott,derebensoscheußlichanzusehen ist,wieesdieGeschehnissesind,dieer zuläßtundderenVerantwortunger„delegiert“. „Gott istdochgut“, flüstertMimi. „Dann ist derEffekt, dener erzielt, nochgemeiner!“ flüstere ich: „Derdoppelbödige Anspruch an dieMoral!“ Er läßt denArmen schuldigwerden, dann überläßt er ihn der Pein. „Jeder Theologekanneuchdas erklären“, sagtRudolf. „DiePrüfungdurchdasLeid führt zurReueundschließlichenEinsichtundErlösung!“ „Pscht“,machtWalther,demesgefällt. Sartres Gott Jupiter mit blutenden Augen, auf deren Eiter die Fliegen hocken, der dauerteinenwieeinschlechtgepflegtesRindvieh ineinemverdrecktenStall.Nichthinse- henkann ich, aber ichdenke,daßTheaterKatharsis, kultischeReinigung ist: derSpiegel derExistenz.Dasitzenwir. Das gesamte Volk – auf der Bühne – bereut einenMord, denMord an Ägist. Und Orest istdannderRächer,derGottumseineReueprellt,dadurchGottesMachtvernichtet und das Beispiel gibt, wie um die Kollektivschuld herumzukommen ist. Schuldgefühle sindeinDruckmittelGottes,manwirft sieab,undmitGott ist esausundgleichzeitigmit derReue. Istesso? Mirwirdplötzlichganz leichtumsHerz,und ichdenkeandieZukunft. […] Ichsageüberhauptnichts:WergegendasStück ist,giltalsFaschist! ImFoyersurren dieFliegen.Schonwieder sollmansichzwingen, ineinebestimmteRichtungzudenken. […] Die ehemaligenNazis werden fromm, sie ziehen in die Kirchen ein. Die Parteien – alle – buhlen um ihre Stimmen. Die Schwarzen kriegen sie: Das machen die Erynnien undder liebeGott.183 wortung und desWiderstands gegen die Besatzungsmacht und das Vichy-Regime“ rezipiert, soGertKerschbaumer:WienerFestwochenzwischenRestaurationundWeltgeltungsanspruch. In: Haider-Pregler und Roessler (Hg.): Zeit der Befreiung. Wiener Theater nach 1945. Wien 1997,S. 300–328,hierS. 324.Weiterevier Jahre später, am15.Februar 1965,wirddas„kontro- verse, leichtem Verständnis abholdeWerk“ unter der Direktion Ernst Haeussermans (Regie: RudolfSellner) zumerstenBurgtheater-Stückvom„RebellderReuelosigkeit“, das jedochneu- erlich eine von Gegenwartsbezügen freie Berichterstattung nach sich zieht. Cf. Ernst Lothar: TragikomödiederGewissensbisse. In:Express, 16.02.1965. 183 Dorothea Zeemann: Jungfrau und Reptil. Leben zwischen 1945 und 1972. Frankfurt am Main1982,S.33f. (Hervorhebung imOriginal). 56 3 GrundlagenundGründungsmythen
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Existentialismus in Österreich Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Title
Existentialismus in Österreich
Subtitle
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Author
Juliane Werner
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-068306-6
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
378
Category
Kunst und Kultur
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