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westlich der Enns) und der nordöstlichen (Sowjetunion: Burgenland, Oberöster-
reichnördlichderDonauundöstlichderEnns,Niederösterreich),welchedasinter-
alliierteWienumschließt. Seit 1. September verfügen die französischenAlliierten
überdieWienerBezirkeMariahilf, Penzing,Rudolfsheim-FünfhausundOttakring
(6, 14, 15, 16)sowie, immonatlichenTurnus,überden1.Bezirkals internationalen
Sektor.Davonabgesehenumfasst die französische Zonemit derHauptstadt Inns-
bruck circa15.000km2unddamit 18%desTerritoriumsÖsterreichs, ihre Einwoh-
nerInnenzahl beläuft sich im Juli 1946 auf circa 590.000, entsprechend 8,4%
der Gesamtbevölkerung.9 Als die französischen Truppen– deren geringer Stärke
wegen sichFrankreichursprünglichbloßander alliiertenKontrollkommission in
Wien, demAlliierten Rat, beteiligen wollte, also an einer „‚symbolischen Besat-
zung‘der Stadt“10– in Tirol undVorarlberg eintreffen, sind siemitMenschenauf
der Flucht, zerstörten Häusern und brachliegender Industrie konfrontiert, ohne
ausreichendMittel fürdenWiederaufbauoder fürMedikamentezubesitzen.„Tirol
sah die US-Amerikaner ungern ziehen“, folgertWilfried Beimrohr angesichts der
desolaten Lage, jedoch: „Ihremangelnde finanzielle Potenzmachten die Franzo-
sendurchImprovisation,PragmatismusunddiskretesAuftretenwett.“11Durchdie
schmalenmateriellen Ressourcen und das geringe politische Gewicht setzen sie
vonAnfanganaufdenKulturbereich.Zwarstehen ihnenauchdortwederdasKa-
pitalnochdie ideologischeMacht („ni lescapitauxni l’influence idéologique“) für
konkurrenzfähige Kulturmaßnahmen zur Verfügung, doch werden unter Hoch-
kommissarMarie ÉmileAntoineBéthouart (von 1945–1950, auf ihn folgt bis 1955
JeanPayart) zahlreicheAktivitäten ins Leben gerufen, die Frankreich trotz seiner
Nachrangigkeit imBesatzungsgefüge eine entscheidendeRolle imalliiertenWerk
(„un rôle prépondérant dans l’œuvre alliée“) spielen lassen, wie Béthouart mit
einemSeitenhieb auf die anderenAlliierten äußert: „Kein Zweifel, geradeweil es
keinen unmittelbarenNutzen gesucht, kein egoistisches Ziel verfolgt hat, weil es
Österreich nicht als Bauern auf einem strategischen Schachbrett oder als Quelle
möglicherGewinnebetrachtethat.“12 („Sansdoute, justement,parcequ’ellene re-
cherchait aucun intérêt immédiat, parcequ’ellenepoursuivait aucunbut égoïste,
9 Cf.HautCommissariatde laRépubliqueFrançaiseenAutriche;Division Information,Centre
deDocumentation:DeuxAnsetdemideprésence française enAutriche;notesdocumentaires
etétudesN°870(Sérieeuropéenne–CXIV), 23.03.1948,S.7–9.
10 ThomasAngerer: Besatzung,Entfernung… Integration?GrundlagenderpolitischenBezie-
hungen zwischen Frankreich und Österreich seit 1938/45. In: Koja und Pfersmann (Hg.):
Frankreich–Österreich,S.82–102,hierS.84.
11Wilfried Beimrohr: Entnazifizierung in Tirol. In: Schuster undWeber (Hg.): Entnazifizie-
rung imregionalenVergleich,S.97–116,hierS. 100.
12 HautCommissariat:DeuxAnsetdemideprésencefrançaiseenAutriche,S. I. [Übers.d.Verf.]
4.1 Die französischenBesatzungszonenTirol,VorarlbergundWien 63
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur