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für das österreichische Volksbüchereiwesen, empfohlen zu werden, zumindest
derStadtbevölkerung:
Es [Die Pest] ist ein düsteres und schreckliches Buch, das keinen Ausweg aus der irdi-
schen Gefangenschaft zeigt, –wenn einemnicht Tapferkeit undAnstand, ohne Verbin-
dung zumMetaphysischenhin, genug sind. In seiner Form ist derRomangroßartig.Das
DeutschderUebersetzung ist kühl, klarundhält sehraufAbstand.Geradedergleichsam
abgewandte Bericht aber erzeugt beim Leser das Gefühl, unmittelbar angesprochen, ja
angerufenzusein.DasBuchsollte in jedergrößerenBücherei stehen,aufdemLandwird
seinEinsatzschwierigsein.84
Insgesamtwird derweit weniger als Sartre polarisierende Camus schnell zum
„sympathischstenundzugleichbedeutendstenVertreterdieserGruppe“85.Ver-
suche,demRezeptionsklischeeentgegenzuwirkenund ihnseinemeigenenund
SartresWunschgemäßnichtmit demEtikett Existentialismus zuversehen,un-
ternehmen in Österreich nur wenige, überwiegend in direktem Kontakt mit
Frankreich stehendeMittlerInnen: Das Bulletin des Dokumentationszentrums,
das Camus’ Denken lediglich zuspricht, dem Existentialismus ursprünglich
„nicht ganz fern“86 gestanden zu sein, beklagt, dass dieDioskuren Sartre und
Camus„von fastallenFreundenundFeinden ineinemAtemgenannt“werden,
dass JournalistInnen und Publikum sie „einer gewissen Denkfaulheit“wegen
„fast für siamesische Zwillinge“87 halten. Später, als Sartre aus politischen
Gründen breitflächig Skepsis oder Schweigen entgegenschlägt, wendet man
sichCamusweiterhinzu, sodemWerkL’Hommerévolté (1951, aufDeutsch1953
alsDerMensch in der Revolte bei Rowohlt), das vor demHintergrund philoso-
phisch-politischer Differenzen Camus’ und Sartres wenig amikales Auseinan-
dergehenanstößt. Indieser„PhilosophieundUniversalgeschichtederRevolte“
werde zwar einiges zu flüchtig behandelt undWichtiges übersehen, dennoch
spricht Armand Jacob in seiner langen Rezension von „der Bewunderung, die
einemsolchenBuchgebührt“88, einBuch,dasCamusdeutlicheralsMoralisten
ausweist als sein erster philosophischer Essay LeMythe de Sisyphe (1942, auf
Deutsch1950 imBadSalzigerRauch-VerlagalsDerMythosvonSisyphos).
Camus strahlt weniger als Philosophdennals Literat aus,was sichmit sei-
nem Selbstverständnis deckt. Das Wiener Literaturinstitut Last & Co, dessen
84 GertrudVetter:AlbertCamus:DiePest. Roman.A.d. Franz. vonGuidoM.Meister.– Inns-
bruck:Abendland-Verlag(1948). 296S.Ppb.S28.–. In:BuchundBücherei.Hefte fürdasöster-
reichischeVolksbüchereiwesen1950,Nr. 1,S. 21–22,hierS. 22.
85 Daniélou:Kommunismus–Existentialismus–Christianismus,S. 10.
86 o.V.:„DiePest“vonAlbertCamus. In:Kulturelles, 17.06.1947.
87 ArmandJacob:DieAuseinandersetzungSartre-Camus. In:GeistigesFrankreich, 13.10.1952.
88 ArmandJacob:AlbertCamus,derRebell. In:GeistigesFrankreich,05.05.1952.
80 4 FranzösischeKulturpolitikundersteExistentialismus-Begegnungen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur