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gelt, verhängt – kein Lichtstrahl dringt herein und hinaus“, schreibt 1946 Hans
Weigel,diebloßeErwähnungdesLandessei„unpopulär“,waser selbstvorallem
für unökonomisch hält: „Sollen […] unsere Verleger und die deutschen Verleger
diegleichenWerkeneudruckenundnur imeigenenLandverkaufen, ineinerZeit,
wodergesamteBestandderWeltliteratur indeutscherSpracheneubetreutwerden
muß?“92 Zwei Jahre nach Weigels Klage beginnt die Öffnung des Handels mit
Deutschlandunddamit insbesonderedieBekanntschaftmitden„kleinenschecki-
genundverblüffendbilligenBüchleindesErnst-Rowohlt-Verlages“,welcherWelt-
literatur „auf billigemRotationspapier für die breitenMassen der Leser“ druckt;
auch die ÖsterreicherInnen kaufen jede Neuerscheinung, erinnert sich Thomas
Bernhard und denkt an Dreiser, Hemingway, Buck, Galsworthy und Sinclair,
derenWerke „auf einmal für etwa 10 Schilling“93 erhältlichwaren. Der Rowohlt-
Verlag ist es auch, der imFolgejahr, 1949, SartresDramenpubliziert, dieAuflage
von10.000Exemplarenist inkurzerZeitvergriffen.94
Bevor allerdings erste deutschsprachigeÜbersetzungen existentialistischer
Werke erscheinen, erfolgt der Transfer über Berichterstattungen in der Tages-
undWochenpresse– in seltenen Fällen auchüber Abdrucke vonOriginaltext-
Auszügen(soam6. Juli 1946 inDiePresse,dieunterdemTitel„Verstaatlichung
92 HansWeigel:DasverhängteFenster. In:Plan1 (1946),Nr. 5,S. 397–399,hierS.397,398.
93 ThomasBernhard [Th.B.]:DieRo-Ro-Ro-Kost schmecktnichtmehr? In:Bernhard: Journa-
listisches. Reden. Interviews.Hg. vonBayer,Huber undMittermayer. (Werke, Bd. 22/1: Frühe
journalistische Arbeiten; Gerichtssaalberichte; Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden;
Leserbriefe,OffeneBriefe, Telegramme.)Berlin 2015, S. 267–269,hier S. 267. [Zuerst in:Demo-
kratisches Volksblatt, 05.10.1953.] Von 25 Rowohlt-Erscheinungen zwischen 1946 und 1949
sind 19Übersetzungen, acht aus demAmerikanischen (darunter Ernest Hemingway, Sinclair
Lewis, JohnSteinbeck, JackLondon,WilliamFaulkner), fünfausdemFranzösischen(darunter
Alain-Fournier, André Gide, Antoine de Saint-Exupéry, ThydeMonnier), vier aus demEngli-
schen (darunter GrahamGreene), eine aus dem Italienischen und eine aus demRussischen.
Cf. Edda Ziegler: Rowohlts Rotations Romane 1946–1949. Eine Programmanalyse. In: Ester-
mannund Lersch (Hg.): Buch, Buchhandel undRundfunk 1945–1949. (Mediengeschichtliche
Veröffentlichungen1.)Wiesbaden1997,S. 125–136,hierS. 129–133.
94 Cf. zu den Publikationsumständen in Westdeutschland: Gottfried Beutel: Der deutsche
Leser und das französische Buch. In: Das Buch. Zeitschrift für Literatur, Kultur undWissen-
schaft ausFrankreich 1 (1949),Nr. 9, S. 6–13, hier S. 7: „Hier alsohabenein starkes Interesse
an einemwichtigen aktuellen Problem, an demallgemein diskutierten Existentialismus, und
eine rechtzeitigeVeröffentlichungderdeutschenAusgabe,derdurchdieAufführungderSart-
re’schen Stücke derWeg gebahntwordenwar, die Arbeit undMühe desVerlegersmit Erfolg
gekrönt. Esmag sein, daßdieser Fall zudenAusnahmen zählt. Doch zeigt sich anderartigen
Ausnahmefällen, daß eine unmittelbare und rechtzeitige Übermittlung des Gedankengutes,
der IdeenundVorstellungen,die inFrankreichvieleGemüterbewegen,beimdeutschenLeser,
der trotz Radio undXX. Jahrhundert von der Außenwelt noch immerwie vonhohenMauern
abgeschlossenerscheint,einegroßeEmpfangsbereitschaft findenkann.“
82 4 FranzösischeKulturpolitikundersteExistentialismus-Begegnungen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur