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dieDichter,Schriftsteller,DenkerFrankreichs,Englands,Amerikashereinzuho-
len, in ihrenWerkenzumindest,alsGeburtshelfer für ‚dieNeueZeit‘.“99
Die Zeitschrift, als „der beweglichere, wenn auch flüchtigere Partner des
Buchs“100, inHerstellungundVertrieb vergleichsweise unaufwändigundkosten-
günstig, kann auf diesen akutenBedarf reagieren.101 Gerade in den erstenNach-
kriegsmonaten, als noch kein funktionierender Buchmarkt existiert, ist sie als
Transfer-Medium „nahezu konkurrenzlos“102 und erlangt im literarischen Feld
übergeordneteBedeutung, da sie es–wennauch ingeringeremMaßalsdie zeit-
gleich inFrankreicherscheinendenLesTempsmodernesoderEsprit–mitstruktu-
riert, „als Beobachter der kulturellen Szene und als deren Meinungsbildner“103.
Der Impuls zur Zeitschriftengründung ist das oftmals schon aus dem Titel spre-
chende Neue, ein in der literarischen Landschaft noch fehlender Aspekt oder
Standpunkt,weshalbdieGattung„eineengeAffinität“ zuneuenStrömungenwie
demExistentialismusaufweist:Sie ist, soDietzelundHügel,häufig„derMotorder
literarischenAvantgarde“104,was zugleichauchderGrund für ihrmeist schnelles
Ende sei. Dass Kulturperiodika „die Zeichen der Zeit erkennen und setzen“105
sowiefürModenempfänglichundvonihnenabhängigsind,zeigendieösterreichi-
schenNachkriegsjahre deutlich. Nicht nur in Inhalt und Form, sondern auch in
der Laufzeit bewahrheitet sich die vielzitierte FeststellungWalter Benjamins, die
„wahreBestimmungeiner Zeitschrift ist, denGeist ihrerEpochezubekunden“106:
Nach 1945 entstehen zahlreiche neue Periodika, die mehrheitlich zwei bis drei
99 Heer:Nach1945,S. 158.
100 Bernhard Zeller: Vorwort. In: Thomas Dietzel, Hans-Otto Hügel: Deutsche literarische
Zeitschriften1880–1945.EinRepertorium.Hg.vomDeutschenLiteraturarchivMarbachamNe-
ckar, Bd. 1: 1–764.A travers lesVosges–Deutsch-nordisches Jahrbuch.München et al. 1988,
S. 5–6,hierS. 5.
101 Cf.GustavFrank,MadleenPodewskiundStefanScherer:Kultur–Zeit–Schrift. Literatur
und Kulturzeitschriften als „kleine Archive“. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte
derdeutschenLiteratur34(2010),Nr. 2,S. 1–45,hierS. 24.
102 Bernhard Fischer: Zur Geschichte der deutschsprachigen Literaturzeitschriften 1945–
1970. In: Fischer und Thomas Dietzel: Deutsche literarische Zeitschriften 1945–1970. Ein Re-
pertorium, 4 Bde. Hg. vomDeutschen LiteraturarchivMarbach amNeckar, Bd. 1: I–363, Aar-
gauerNeujahrsblatt–Forum.Münchenetal. 1992,S.9–18,hier 10.
103 AlphonsSilbermann:DieKulturzeitschrift als Literatur. In: InternationalesArchiv für So-
zialgeschichtederdeutschenLiteratur 10(1985),Nr. 1,S.94–112,hierS. 105.
104 Thomas Dietzel und Hans-Otto Hügel: Einleitung. Zeitschrift und Literatur. In: Dietzel
undHügel:Deutsche literarischeZeitschriften1880–1945,S.7–12,hierS. 7,8.
105 Fischer:ZurGeschichtederdeutschsprachigenLiteraturzeitschriften1945–1970,S.9.
106Walter Benjamin: Ankündigung der Zeitschrift AngelusNovus. In:Walter Benjamin: Ge-
sammelte Schriften 2.1. Hg. von Rolf Tiedemann undHermann Schweppenhäuser. Frankfurt
amMain1991,S. 241–246,hierS. 241.
84 4 FranzösischeKulturpolitikundersteExistentialismus-Begegnungen
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur