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lique-AutorInnen.DieVermittlungsleistung liegt hier vorrangig inder Entspeziali-
sierungakademischenWissens fĂĽrbreitereRezipientInnenkreise,komplexephilo-
sophische Inhalte werden verständlich gemacht.124Wort und Tat ist ein baldiges
Endebeschieden,ebensowiederEuropäischenRundschau (1945–1949), inderaus
demexistentialistischenUmfeld unter anderem 1946derAufsatz „Sorgenumdie
Freiheit imheutigen Frankreich“ (Nr. 2) von EmmanuelMounier erscheint sowie
RaymondArons am19.November 1946 imWiener Presseklub gehaltenerVortrag
„Frankreichs öffentlicheMeinung seit Kriegsende“ (Nr.6/7). Exnegativo geht aus
einerKarl Jaspers-BesprechungeineEinschätzungzumExistentialismushervor,zu
demSartreJaspers imweitestenSinnezählt (cf.Kap.3.1):
ManweiĂź, daĂźdie JaspersscheExistenzphilosophienichts gemeinsamhatmit demExis-
tentialismus,wie er etwa in Frankreich von programmatischer Bedeutung geworden ist.
Es handelt sich hier nicht umWeltanschauung, nicht umSystem, nicht umAufklärung
imrationalistischenSinn,nichtumeineGebrauchsanweisung fĂĽrdasDenkenoderGlau-
ben, sowünschenswert dasmanchemLeser wäre. Es ist ein Erhellen dermenschlichen
Situation,dieBemühungumeineAufgabe, fürdieeskeineverbindlicheLösunggibt,die
nurvomjeEinzelnenzuvollziehen ist.125
Sartrewürde seinDenkenweder als Systemnochals universelle „Gebrauchsan-
weisung“ auffassen, sondern je von der konkreten Situation ausgehen,wie der
aus Paris korrespondierende P.A. Stephano in der ZeitschriftDer Turm erklärt:
Der Existentialismuswill „die Philosophie der Situation desMenschenundnur
dieser Situation sein“126.DerTurm, eine vonder konservativenÖsterreichischen
Volkspartei finanzierte und vonderĂ–sterreichischenKulturvereinigungheraus-
gegebeneMonatsschrift für österreichischeKulturunter Chefredakteur EgonSee-
fehlner macht ihr Lesepublikum auf unvoreingenommene Weise mit dem
Existentialismusbekannt, früherundausführlicher als dieBesatzungsblätter. In
die Literaturgeschichte eingegangen durch Alexander Lernet-Holenias Empfeh-
lung, 1945 „dort fortzusetzen, wo uns die Träume eines Irren unterbrochen
haben“127, stehtdieredaktionellvonderZwischenkriegsgenerationgeprägteZeit-
schrift im Ruf, „ein ausgesprochen restauratives, am Begriff des ‚christlichen
Lengauer (Hg.): Literatur der Nachkriegszeit und der fĂĽnfziger Jahre inĂ–sterreich. (Schriften
des Institutes fürÖsterreichkunde44/45.)Wien1984,S. 155–177.
124 Cf.Frank,Podewski,Scherer:Kultur–Zeit–Schrift,S. 28.
125 Cl. Fr.: KARL JASPERS: „VonderWahrheit“und „DerphilosophischeGlaube“. R. Piper&
Co.Verlag,München1948. In:EuropäischeRundschau4(1949),Nr. 3,S. 28.
126 Stephano:Der Existenzialismus in Frankreich, S. 175. Unter demNamenP.-A. Stéphano-
polihatderAutorden fürSartrewichtigenTextvonGüntherStern [Anders],„Pathologiede la
liberté. Essai sur la non-identification“ für dieRecherches philosophiques 6 (1936–1937) über-
setzt (cf.Kap.3.1).
127 AlexanderLernet-Holenia:GruĂźdesDichters. In:DerTurm1(1945),Nr.4/5,S. 109.
88 4 FranzösischeKulturpolitikundersteExistentialismus-Begegnungen
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur