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parfaite du texte“94). Als schließlich der Plafond einstürzt und ZuschauerInnen
unter sichbegräbt, kannbei einemaufExtremsituationen (cf.Kap.6.3) eingestell-
tenDenkernurFreudeaufkommen(„Partres’étaitarrêtéet riaitdeboncœurense
tapant sur les cuisses, heureux de voir tant de gens engagés dans cette aven-
ture“95).VergleichtmanViansSchilderungdieserSzenemitdenErinnerungenSi-
monedeBeauvoirs (inL’Écumedes joursals herzogliche ‚DuchessedeBovouard‘
karikiert), zeigt sichdieNotwendigkeitderdrastischenÜberzeichnungeinerSitua-
tion,dierealiterschoneinemAusnahmezustandnahekommt,daauchhierdasGe-
dränge einer Menschenmasse für Ohnmachtsanfälle sorgt („[à] la conférence de
Sartre, il vintune telle fouleque la salleneput lacontenir: ce futunebousculade
effrénéeetdes femmess’évanouirent“96).DieverzerrendeNachahmungder realen
Person Sartre und seiner Gefolgschaft in L’Écumedes jourshat, zumal durch die
Vielzahl an neosurrealistischen und sprachspielerischen Elementen (Spooneris-
men,Portemanteau-Wörter),mehrkomischesdennoffenkritischesPotential.97
Eine stärker auf existentialistische Inhalte gerichtete Darstellung der auch
dort destruktive Kräfte entfaltendenMode liefern Elfriede Jelineks Die Ausge-
sperrten (1980) undNorbert GstreinsEineAhnung vomAnfang (2013), die über
die höchste Dichte an Sartre- und Camus-Verweisen in der österreichischen
Nachkriegsprosaverfügen. JelinekverlegtdieHandlung ihres imTodesjahrSar-
tres veröffentlichten Romans über vier strauchelndeWiener Jugendliche– die
Kleinbürger-ZwillingeRainerundAnnaWitkowski,derArbeiterHanssowiedie
auswohlhabendemHausestammendeSophie– indieSpätfünfzigerunddamit
in eine besonders „enge geistige und kulturelle Atmosphäre“98, für die nicht
mehrgilt,was lautBeauvoirnach 1945derFall ist: zuKriegsende jungzusein,
erscheint als enormeChance („uneénormechance“99); offen, so JeanAméry in
ähnlichen Tönen, gibt sich die „Zukunft, in die der jungeMensch hineintau-
melt“100 in jenenTagen. ImFolgejahrzehntdagegen:
Die offiziellen und offiziösen Anstrengungen zur Vermittlung und Verinnerlichung von
WertenderRespektabilitätundSolidität sindsonderZahl, zielenauf einedurchKriegund
Faschismuszutiefst traumatisierteGenerationundpropagierendenklassisch fordistischen
94 Vian:L’Écumedes jours,S. 136.
95 Vian:L’Écumedes jours,S. 139.
96 Beauvoir:LaForcedeschoses,Bd. 1,S.61.
97 Cf.GilbertPestureau:Langue. In:Vian:L’Écumedes jours,S.309–312,hierS.311.
98 HeinrichDeisl: ImPulsderNacht. Sub-undPopulärkultur inWien, 1955–1976.Wien,Ber-
lin2013,S. 74.
99 Beauvoir:LaForcedeschoses,Bd. 1,S. 21.
100 Améry:ÜberdasAltern,S. 28.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 115
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur