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jeunessemais aussi elle avait été un grandmythe: unmythe ne se laisse pas
toucher“194). DieserMythos rückt nach der Befreiung Frankreichs in greifbare
Nähe. Im französischen Alltag ist durch Konsum- und Kulturgüter die Macht,
die die Vereinigten Staaten politisch, wirtschaftlich und kulturell auf Europa
ausüben, deutlich spürbar. Die anfängliche Glorifizierung der amerikanischen
ArmeealsheroischeundgroßzügigeBefreierInnenausdemLandderDemokra-
tieweichtwachsendenVorbehaltengegendieRassismusundsozialeUngleich-
heit umfassende Schattenseite der glänzenden Kulisse, so Dugast,195 weshalb
eine antiamerikanischeHaltung in Frankreich baldweit über kommunistische
Kreisehinausreicht.RaymondAronbestätigt ineinerSammlungvonheteroste-
reotypenBildern,AsOthers SeeUs. TheUnited States throughForeignEyes, die
Amerikanisierungsei„lookeduponbymanywithhorror“,dasLandverursache
„mixed feelings– envy and resentment combinedwith admiration or fear“196.
Während die Zweiteilung der Welt voranschreitet, sträubt sich Frankreich in
seinemSelbstverständnisalsKulturnationgegendenalsbedrohlichempfunde-
nenKulturimperialismus, deutetMichelWinock; es geschehe dies aus Furcht,
indenVereinigtenStaatendie eigeneZukunft zuerblicken („nous la craignons
parcequ’elle est ennous, parcequ’elle est unedesvirtualités àhauteprobabi-
lité de notre avenir“197). Eben weil sie sie als im Gange befindliche Zukunft
(„l’avenir en marche“198) auffassen, bewahren Sartre und Beauvoir trotz
ihres antikapitalistischen Standpunkts Interesse an der Kultur der Vereinigten
Staaten. Durch ihre ersten USA-Aufhalte in den Jahren 1945, 1946 und 1947
bewahrheiten sich einige von Sartres, Camus’ und Beauvoirs Annahmen, an-
dere erscheinen in neuem Licht. So würdigt Sartre in seinem kurzen Text
„Nick’s Bar, NewYork City“ (1947) den Jazz als dieNationalunterhaltung („le
194 Beauvoir:LaForcedeschoses,Bd. 1,S. 32.
195 Cf. Dugast: La Situation culturelle de la France après 1945, S. 309. Cf. auch Frank Cos-
tigliola:FranceandtheUnitedStates.TheColdAllianceSinceWorldWar II.NewYork1992.
196 RaymondAron: FromFrance. Englisch vonAnita Tenzer. In: Joseph (Hg.): AsOthers See
Us.TheUnitedStates throughForeignEyes.Princeton1959,S. 57–71,hierS.60.
197 MichelWinock:Nationalisme,AntisémitismeetFascismeenFrance.Paris 1990,S.51.
198 Beauvoir: La Force des choses, Bd. 1, S. 32. Vor ihren ersten transatlantischenReisen er-
halten Sartre undBeauvoir von FreundInnenundBekannten Einblicke in das amerikanische
Leben,vomJournalisten Jacques-LaurentBost, demsurrealistischenSchriftstellerund Journa-
listen Philippe Soupault, von Beauvoirs Vertrauter Nathalie Sorokine, diemit dem in Frank-
reich stationierten späteren Drehbuchautor Ivan Moffat im Februar 1946 nach Kalifornien
übersiedelt,woauchHenrietteNizanbis EndedesKrieges inder Filmbranchearbeitet, sowie
von Stépha und Fernando Gerassi, die nach NewYork emigrieren, wo sich auch der für die
Relationsculturelles tätigeBekannteClaudeLévi-Straussaufhält.
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Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur